© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/09 22. Mai 2009

Mehr Glamour wagen
Wahl des Bundespräsidenten: Wenn schon unmündig, dann wenigstens mit Glanz und Gloria
Christian Vollradt

Am 23. Mai gibt unsere Republik wieder großes Staatstheater. Titel: Die Wahl des Bundespräsidenten. Kein Drama, eher Operette. Die Rollen sind dieses Jahr wieder klar verteilt: Hauptdarsteller sind der Amtsinhaber (Horst Köhler) und seine abermalige Herausforderin (Gesine Schwan). In den Nebenrollen der linke Narr (Peter Sodann) und der „rechte“ Schurke (Frank Rennicke).

Ferner wirken der Chor der Bundestagsabgeordneten sowie die „gekorenen“ Mitglieder der Bundesversammlung mit, die Statisten. Sie verstärken entweder das Heer der Parteisoldaten oder aber stellen uns dar, die Masse ohne politisches Mandat. Sie dürfen dies, weil sie entweder bereits im Fernsehen ihre schauspielerischen Qualitäten unter Beweis gestellt haben, Bücher verkauft oder es im sportlichen Wettkampf zu Gold gebracht haben. Nominiert wurden auch sie von den Parteien, und zwar mit der klaren Erwartung, entsprechend abzustimmen. Abweichungen sind möglich, aber nicht erwünscht. Daher sorgen die Regisseure bereits im vorhinein mittels strikter Auswahlkriterien für Geschlossenheit. Grundsätzlich gilt: Je knapper die Mehrheit, desto weniger wird reine Prominenz wertgeschätzt – und um so mehr das Parteibuch.

Mit Demokratie hat das freilich nur am Rande zu tun. Natürlich sind daran die Deutschen selbst schuld. Zwar gibt es immer wieder notorische Querulanten, die angesichts gewisser elektoraler Defizite eine Änderung des Spielplans fordern und dem Wahlvolk ein Mitspracherecht bei der Bestimmung des Staatsoberhaupts einräumen wollen. Letztens erst tat sich Spiegel-Journalist Gabor Steingart mit dem Ruf nach einer Direktwahl hervor. Das offizielle Deutschland hält ihm und allen anderen jedoch entgegen, daß die „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ eine solche Volkswahl aus guten Gründen abgelehnt hatten. „Die Präsidentenwahlen von 1925 und 1932 haben bewiesen, daß diese Form der Wahl für das deutsche Volk jedenfalls nicht die geeignete Form ist“, so ein christdemokratisches Mitglied des Parlamentarischen Rates 1949.

In der Tat: Paul von Hindenburg ist das Staatsoberhaupt mit der größten demokratischen Legitimation in der deutschen Geschichte. 1932 erhielt er 53 Prozent der Stimmen bei über 80 Prozent Wahlbeteiligung. Der Ruf des Totengräbers der Weimarer Republik haftet dem Reichspräsidenten jedoch auch ohne Nachweis eines Verfassungsbruchs an. Das deutsche Volk hat eben falsch gewählt. Zur Strafe ist es von der Kür des Staatsoberhaupts nun ausgeschlossen. Dessen Aufgaben wiederum sind wegen derselben historischen Erblast rein repräsentativer Natur: „wie die einer Königin oder eines Königs in einer konstitutionellen Monarchie“, heißt es dazu in einer um Aufklärung bemühten Broschüre des Bundestages.

Warum also nicht dem Beispiel unserer europäischen Nachbarn und Freunde in Großbritannien, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Belgien folgen, die auf gekrönte Häupter setzen? Man könnte sich das ganze Wahltheater sparen und das Volk für seine Unmündigkeit wenigstens mit Glamour entschädigen. Statt Populismus also Pop. „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben!“ Freilich runderneuert, nicht schnarrend, sondern locker, mit Polohemd statt Pickelhaube. Aber in einem Punkt doch wie weiland „Willi Zwo“, nämlich zugleich märchenhaft und modern.

Die Vorteile lägen auf der Hand. Die ganze royale Sippe ließe sich einspannen, könnte an mehreren Orten gleichzeitig repräsentieren, Wangen tätscheln und Hände schütteln, egal ob die von Managern oder Migranten. Effizienter ginge es wirklich nicht. Wo heutzutage „Vernetzung“ alles ist, ließe sich manche zwischenstaatliche Ungereimtheit nonchalant im verwandtschaftlichen Verkehr zwischen Berlin und anderen Kapitalen mit Thron ausräumen. Majestät würde außerdem Ehrenurkunden unterschreiben und als Schirmherr fungieren, für „Nachhaltigkeit“ plädieren und – selbstverständlich – gegen Fremdenhaß.

Sogar als geschichtspolitischer Golem könnte das Staatsoberhaupt angesichts der hochadligen Ethno-Mixturen auftreten: in den Außenbeziehungen ganz Repräsentant des „Tätervolks“ und damit bußfertig, nach innen aber mahnend unter Verweis auf die eigenen Ahnen aus den „Befreier-“ oder „Opfernationen“. Welche Vielfalt der Botschaften ließe sich so vom Teleprompter in die Haushalte verschicken. Für die geforderte Transparenz würde die Klatschpresse sorgen, die das Herrscherhaus auf Schritt und Tritt verfolgt; wie sich der Nachwuchs macht, ob er die Rütli-Schule oder Schloß Salem besucht, welche Partner gefunden oder verlassen werden. Anders als die Senioren in Schloß Bellevue, deren Karrieren hier bloß ausklingen, böten die mit Kind und Kegel residierenden Blaublüter genug Stoff für Fortsetzungsgeschichten.

Statt schnöde nur Exportweltmeister bei Automaten und -mobilen zu sein, könnte Deutschland mit bedruckten Motiven heiratender Prinzen sympathisches „Merchandising“ in eigener Sache betreiben – unter dem Motto „bunt statt grau“.

Ein letzter Vorteil des gekrönten Hauptes liegt auf der Hand: Die Erbfolge kennt im Unterschied zur (Schein-)Wahl weder Sieger noch Verlierer, womit auch der Harmoniebedürftigkeit der Deutschen Genüge getan wäre. Und was bliebe uns nicht alles erspart, wenn das samstägliche Staatstheater ausfallen könnte: die bemühte Noblesse des Gewinners, der keinen Triumph auskosten kann, weil schon vorher alles klar ist; die Peinlichkeit einer Polit-Professorin, die – wie zur Blamage ihrer Zunft – nutzlos wahlkämpfend durch die Lande zieht; der entsorgte „Tatort“-Kommissar, der zum Grab der roten Märtyrer zuckeln muß und schlußendlich der völkische Gitarrero, der – vom hohen Hause geschmäht – den Paria mimen darf.

Im wesentlichen bliebe dennoch alles beim alten. An der Spitze des Staates stünde jemand, den das Volk nicht gewählt und der selbst nichts zu sagen hat. Das ist die Hauptsache.

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