© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/09 22. Mai 2009

„Deutsche Polizei“: Magazin der Gewerkschaft der Polizei
Auf dem linken Auge blind
Toni Roidl

Die Bilanz ist erschreckend: 22 Prozent mehr Gewalttaten gegen Polizeibeamte, alarmierten die Innenminister der Länder Anfang dieses Jahres. 3.371 Gewalttaten verzeichnet diese Statistik allein in Berlin. Seit den Verwüstungsorgien am 1. Mai sind es dort 440 mehr. Die Polizei spielt nur noch in der Defensive.

In manchen Bezirken ist jeden Tag 1. Mai: Duisburg-Marxloh oder die nördliche Innenstadt von Essen wurden bereits offiziell zu „gefährlichen Orten“ erklärt, in denen die Polizei nur mit Verstärkung patrouilliert und schärfer kontrollieren darf. Die Welt zitiert den Duisburger Polizeipräsidenten: „Die Zusammenrottung von Bevölkerungsteilen bei polizeilichen Anlässen ist ein zunehmendes Problem. Es kommt immer wieder vor, daß eine polizeifeindliche Stimmung entsteht. ‘Das ist unsere Straße!’ rufen sie, dann wird es gefährlich.“

Die Beamten fühlen sich nicht erst seit den blutigen Links-Krawallen in Kreuzberg allein gelassen. Im Monatsheft der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Deutsche Polizei schreibt ein Leser: „Die weiche Politik der Polizei (Wir Polizisten sollen ja deeskalierende Kommunikationswunder sein) stößt in Extremfällen an ihre Grenzen. Konsequentes Einschreiten (präventiv und repressiv) gegen Gewalt könnte einen Gedanken wert sein.“ Ein Hauptkommissar schreibt: „Werden wir den ‘Kampf auf der Straße’ verlieren?“

Doch GdP-Chef Konrad Freiberg ficht offenbar einen anderen Kampf – den „gegen Rechts“. Dem widmet das GdP-Organ ausgiebig Raum. Daß dabei „rechts“ stets synonym für „rechtsextrem“ gebraucht wird, ist keine Schludrigkeit, sondern Überzeugung – für Freiberg ist beides dasselbe, wie er im Editorial schreibt: „Die rechte Szene formiert sich auf vielen Ebenen: in intellektuellen Strömungen, Jugendgangs und der NPD. Ihr Aktionsspektrum reicht von Diskursen über eine ‘Normalisierung’ deutscher Identität bis zu rassistischer Gewalt.“ Wer eine normale deutsche Identität reklamiert, tut nach GdP-Logik also quasi dasselbe wie der Nazischläger.

Wie gezielt die GdP das linke Auge zukneift, belegt auch ein Bericht über den „Gedenkmarsch der Rechten“ im Februar in Dresden (Ausgabe April 2009). Neben der Überschrift „I’m A Neonazi“ prangt das unvermeidliche Springerstiefel-Foto aus dem Archiv. Die nächste Seite zeigt plakativ ein umgestürztes Einsatzfahrzeug. Nur dem aufmerksamen Leser verrät die winzige Bildunterschrift, daß es sich um die Folge linker Randale am Rande der auf rechter Seite gewaltfreien Veranstaltung handelt. Eine Seite weiter wird dann resümieret: „Der Kampf gegen Rechts ist mit Kampagnen nicht zu gewinnen.“

Der Gipfel der polizeigewerkschaftlichen „Gegen Rechts“-Strategie ist das aktuelle GdP-Schulungsheft „Arbeitshilfe-Broschüre 15, Argumente gegen Rechts“. Hier werden Polizisten Fakten, Formeln und Finessen für Prävention und Subversion in der (neo)rechten Szene“ verabreicht. Im „Praxistest“ („Rechts oder nicht?“) werden Äußerungen wie „Wir Deutsche sollten mehr Mut zu einem starken Nationalgefühl haben“ als „rechts“ (sprich: rechtsextrem) entlarvt. Die Begründung ist pure Dialektik: „Müssen wir Deutschen ein Nationalgefühl haben? Darauf gibt es von rechts keine Antwort, denn eine Kollektivschuld warf uns völkerrechtlich nie ein Land vor. Die Rechten haben hier einfach ein Motto von Johannes Rau pervertiert, der sagte: Deutschsein ist keine Schuld, aber eine Aufgabe, nämlich wachzuhalten, was Menschen sich antun können bis zur industriellen Vernichtung. Fazit: Die These ist rechts!“ So geht es durchgängig weiter.

Wer da Zweifel bekommt, ob die Polizei, oder besser gesagt die GdP gemäß der demokratischen Gewaltenteilung noch unabhängig und überparteilich ist, liegt nicht ganz falsch: Die GdP sieht ihre „gewerkschaftliche Pflicht“ laut Eigenaussage darin, sich in „Diskussionen um soziale Belange einzumischen“. Man wolle gerne dabei behilflich sein, den Rechten Einhalt zu gebieten.

Wie das aussieht, konnte man bereits am 8. Mai 2005 studieren, als die Polizei – wie auch beim ersten Anti-Islamisierungskongreß 2008 – einem „Naziaufmarsch“ die Durchsetzung des Demonstrationsrechts verweigerte. Das GdP-Magazin Deutsche Polizei (6/2005) jubelte: „Rechtsextreme ohne Chance – Berlin blieb sauber.“                     

Foto: GdP-Zeitschrift „Deutsche Polizei“ und die aktuelle GdP-„Arbeitshilfe“ – „Argumente gegen Rechts“: Aufmerksame Blicke in lediglich eine Richtung

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