© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/09 29. Mai 2009

„Jesus, du Opfer“
Christlicher Kongreß in Marburg: Teilnehmer trotzen den wütenden Protesten der Homosexuellen-Lobby und linker Gruppen
Christian Dorn

An Christi Himmelfahrt bot das in Hessen gelegene Marburg an der Lahn ein besonders blasphemisches Bild. Anlaß war der 6. Internationale Kongreß der christlichen Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS). Gegen die Veranstaltung hatten verschiedene „schwul-lesbische“ sowie „antifaschistische“ Verbände und Personen polemisiert und mobilisiert (JF 18/09), unter ihnen der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) sowie der Schwulenaktivist Volker Beck von den Grünen. Letzterer hatte den Veranstaltern vorgeworfen, „auf die Camouflage der Homo-Umpoler hereingefallen“ zu sein.

Gemeint waren die Referenten Markus Hoffmann von der Selbsthilfeorganisation Wüstenstrom und die Ärztin Christl Vonholt, Leiterin des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft (DIJG) der Offensive Junger Christen, eines Fachverbands im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Hoffmann und Vonholt sowie dem Psychotherapeuten Michael Gerlach wird vorgeworfen, Homosexualität als eine Krankheit zu betrachten und davon Betroffene heilen zu wollen. Mit einem Appell hatten im Vorfeld mehr als dreihundert renommierten Personen, darunter die Publizistin Gabriele Kuby, die Philosophen Robert Spaemann und Harald Seubert sowie der Theologe Thomas Schirrmacher und der christliche Sozialwissenschaftler Manfred Spieker, die Veranstalter des Kongresses gegen die Vorwürfe in Schutz genommen.

Obgleich die Angefeindeten nach einem Treffen der APS mit dem LSVD dargelegt hatten, daß sie „Homosexualität nicht als Krankheit verstehen und nicht für therapiebedürftig halten“, „niemanden manipulieren oder gar ‘umpolen’“, sondern Betroffene lediglich ergebnisoffen beraten wollten, nahm die Kritik nicht ab. Selbst der Hinweis der Veranstalter, daß sich die Betreffenden während des Kongresses überhaupt nicht zum Thema Homosexualität äußern werden, konnte die aufgebrachten Kongreß-Gegner nicht besänftigen. An Christi Himmelfahrt hatte ihr Aktionsbündnis deshalb zu einer Demonstration aufgerufen, die unter der Losung „Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“ stand und deren Ziel es war, den Kongreß zu verhindern. Das gelang nicht, dennoch gab es spürbare Behinderung.

So waren die knapp tausend Teilnehmer des Kongresses gezwungen, mehrfach die Veranstaltungsräume zu wechseln. Geradezu konspirativ wurde täglich der neue Seminarort bekanntgegeben. Zudem wurden die Teilnehmer zu ihrer eigenen Sicherheit aufgefordert, ihre Namensschilder bei Verlassen des Kongresses abzunehmen. Einige Referenten sollen sogar Personenschutz in Anspruch genommen haben. Daneben gab es zahlreiche Schmierereien. Hierzu zählten Sprüche wie „Jesus, du Opfer“ oder die Zeichnung eines ans Kreuz genageltes Schweins.

Ratloses und mitleidiges Kopfschütteln

Nicht weniger deutlich waren die Banner, die auf der tausendköpfigen Demonstration getragen wurden. Auch hier war ein gekreuzigtes Schwein zu sehen sowie der Hinweis: „Wir sind hier, um eure religiösen Gefühle zu verletzen!“ Die Gruppe „Radical Homos“ aus Göttingen trug ein Transparent, das eine bizarre Sexualpraktik propagierte: „Christen fisten!“ Kaum zurückhaltender waren die Sprechchöre. Einige Kostproben: „Hätt’ Maria abgetrieben, wär uns das erspart geblieben!“, „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ oder „Eure Kinder werden so wie wir!“ Dazu paßte auch das Meer von Luftballons, die neben den Erwachsenen und Jugendlichen auch Kleinkinder trugen: „Wenn ich einmal groß bin, werde ich lesbisch“, stand darauf.

Die Linkspartei Hessen verteilte Postkarten mit der Aufforderung: „Schulen müssen queerer werden!“ Das an den Schulen gelehrte Lebensbild, heißt es dort, habe „mit der Realität nichts zu tun. Die monogame Heten-Ehe wird als Normalfall dargestellt“. Dabei stellten diese in der Realität „eine Ausnahme“ dar. Diskriminierung beginne daher bereits in der Schule, „in der schwule und lesbische Lebenswelten sowie queere Lebensentwürfe nicht vorkommen“. Nur „mit der frühen schulischen Vermittlung“ derselben könnte „Diskriminierung in ihrem Ursprung verhindert“ werden.

Völlig grotesk wirkte dieser Aufzug nicht nur, weil hier kleine Kinder für Genderideologien instrumentalisiert wurden. Schließlich gingen die „Homophobie“-Vorwürfe an den christlichen Kongreßteilnehmern – Psychotherapeuten, Pastoren, Seelsorger – vollkommen vorbei. Infolgedessen hatten diese auch nur ein ebenso ratloses wie mitleidiges Kopfschütteln für die Protestierer übrig, welche sie allerdings in ihre Gebete einschlössen, so der APS-Vorsitzende Martin Grabe am Eröffnungsabend. Oberbürgermeister Egon Vaupel äußerte sein Unverständnis für die Anwürfe des Aktionsbündnisses und sprach von einem „Mißbrauch der Meinungsfreiheit“.

In seinem Eröffnungsvortrag umriß die Dresdner Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz das Kongreßthema, das unter dem Titel „Identität – Der rote Faden in meinem Leben“ stand. Derzeit, so Falkovitz, sei „Identität“ eine Modebegriff. Der Titel „Wer bin ich, und wenn ja, wieviele?“ sei Ausdruck dafür.

Daran anschließend forderte der Theologe Stephan Holthaus einen Wertekanon für Deutschland. Dies bedeute zugleich eine Ansage gegen die Postmoderne, die nur scheinbar tolerant sei. In Wirklichkeit sei sie zu einer totalitären Ideologie verkommen, die jeden, der ihr widerspreche, abstrafe.

Diese Einschätzung paßt – wohl nicht zufällig – auf die Kritik am diesjährigen APS-Kongreß, der als pseudowissenschafliches Treffen „evangelikaler Fundamentalisten“ diffamiert wurde. Dazu eine Kongreßteilnehmerin: Der Begriff „evangelikal“ sei zu einem Schimpfwort geworden; wenn sich „fundamentalistisch“ auf alle Leute mit Fundament beziehe, „dann ist das ein gefährlicher gesellschaftlicher Trend“. Raphael Bonelli, Psychiater und Neurologe aus Wien sowie Laienmitglied von Opus Dei, wies in seinem Vortrag über „Identität, Tugend und Selbstwert“ ebenfalls auf diese Problematik hin: Wir lebten in einer Gesellschaft, in der „das Joggen selbstverständlich“ sei, man sich aber beinahe für „das Beten schämen“ müsse.

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