© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/09 05. Juni 2009

Kinder, Küche und Karriere
Vorbild Preußen: Eine Sonderausstellung würdigt die Leistungen von Frauen im friderizianischen Staat
Ronald Berthold

Preußens Frauen haben es in sich. Als „Miß Preußen 2010“ wird schon jetzt die legendäre Königin Luise gefeiert. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten wirbt auf Plakaten mit dem Konterfei der schönen Monarchin für das große Luise-Jahr, das im Januar beginnt. Die bis heute beliebteste aller Preußinnen ist bald 200 Jahre tot. Ihr Mann, Friedrich Wilhelm III., hatte auf Luises Drängen den Staat modernisiert und Preußen letztlich vom französischen Joch befreit.

Die Poster der Stiftung, die von den Ländern Brandenburg und Berlin sowie dem Bund getragen wird, sind ein Indiz dafür, daß die Dämonisierung Preußens als aggressiver Militärstaat endgültig der Vergangenheit angehört. Die Geschichtsschreibung und damit auch das Image nähern sich inzwischen der Wirklichkeit an, in der Preußen als fortschrittliches und tolerantes Staatsgebilde in seiner Zeit herausragte. Hier konnten schon in vergangenen Jahrhunderten nicht nur Männer Karriere machen.

Königin Luise war bei weitem nicht die einzige Frau, die herausragte. Das Brandenburg-Preußen Museum in Wustrau, zwischen Fehrbellin und Neuruppin nördlich von Berlin gelegen, zeigt in der Sonderausstellung „Preußens Frauen“ bis 31. Oktober die Lebenswege von acht Damen, die Außergewöhnliches leisteten. Königinnen und Kaiserinnen gehören nicht dazu. Allerdings begleitet das Museum die Ausstellung mit einer Vortragsreihe. Dabei spricht Dorothea Minkels  am 27. Juni (15 Uhr) über die Königinnen Luise und Elisabeth.

Ohne viel Aufsehen verband sie Haushalt und Beruf

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt jedoch auf dem Wirken der Bürgerlichen. „Daß Frauen akademische Berufe ergreifen konnten, nahm seinen Anfang in Preußen“, würdigt die Schau eine bisher wenig bekannte Tatsache. Ein Musterbeispiel dafür ist die Ärztin Dorothea Christiana Erxleben (1715–1762), die am 6. Mai 1754, also zur Zeit Friedrich des Großen, ihre Promotion ablegte. Der König persönlich hatte der Frau die Prüfungszulassung erteilt. Die Ausstellung zeigt neben diese Urkunde auch Erxlebens Doktorarbeit sowie Fachbücher aus ihrer Praxis, Injektionsbesteck und sogar ein von ihr gefertigtes Korrosionspräparat einer Niere.

Dorothea Erxleben war die erste Frau, die sich als Medizinerin niederlassen durfte. Und dabei verband sie ohne großes Aufsehen Beruf und Haushalt. „Daß sie neben ihrer ärztlichen Tätigkeit auch eine liebevolle Mutter und gute Hausfrau war, wird zu wenig beachtet“, heißt es auf der Schautafel. Die Ärztin kümmerte sich nach dem frühen Tod ihrer Cousine um deren fünf Kinder und zog zusätzlich noch vier eigene Kinder groß.

Insgesamt sogar zehn Kinder hatte Königin Luise in ihrem nur 34 Jahre währenden Leben geboren, ein Sohn wurde deutscher Kaiser (Wilhelm I.), einer preußischer König (Friedrich Wilhelm IV.) und eine Tochter russische Zarin (Alexandra Fjodorowna) Anders als viele andere Monarchen legte „Miß Preußen 2010“ Wert darauf, ihren Nachwuchs auch selbst zu erziehen. Dennoch blieb ihr die Zeit für hochpolitisches Engagement. Luises diplomatischer Kampf gegen Napoleon brachte ihr überall in Europa Respekt ein. Die Befreiung konnte sie nicht mehr erleben.

Dafür ging eine andere preußische Frau sogar mit an die Front, um die französischen Truppen aus der Heimat zu vertreiben. Während in Frankreich Jeanne d’Arc jedes Schulkind kennt, ist die Geschichte der Eleonore Prochaska in Deutschland in Vergessenheit geraten. Die Tochter eines Unteroffiziers der Potsdamer Garde arbeitete als Küchenmädchen im Militärwaisenhaus. Als leidenschaftliche Patriotin verließ sie heimlich ihren Arbeitsplatz, um gegen die Franzosen zu kämpfen. Als „August Renz“ meldete sie sich beim Lützowschen Freikorps.

„Beim Sturm auf eine von Franzosen besetzte Höhe an der Göhrde am 16. September 1813 trieb sie ihre Kameraden mit einer erbeuteten Trommel zum Angriff, wurde tödlich verwundet und erst jetzt als Frau erkannt“, berichtet der Ausstellungstext. In Dannenberg ist ein Obelisk dem heldenhaften Kampf der Frau gewidmet. Aber wer weiß heute noch, daß ihr Ludwig van Beethoven auch musikalisch ein Denkmal setzte? Die Ausstellung erinnert daran: „Er komponierte die Bühnenmusik einer ihr gewidmeten Oper.“

Die schönen Künste wie eben Musik aber auch Malerei waren bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in Europa reine Männerdomänen. Doch in Preußen verschrieben sich auch Frauen der Malerei – und zwar nicht eben erfolglos. Eine von ihnen war Anna Dorothea Therbusch (1721–1782), deren Karriere ebenfalls in der friderizianischen Epoche aufblühte. Sie malte nicht nur den König in Lebensgröße, sondern auch den legendären Husaren-General Hans-Joachim Ziethen. Die beiden berühmten Preußen ließen sich geduldig von einer Frau malen.

Die Malerin galt in Berlin als „Wunderkind“, ihr Geschlecht spielte keine Rolle. Es ereilte sie der Ruf an den Württemberger Hof des Herzogs Carl Eugen. Für die Spiegelgalerie des Stuttgarter Schlosses malte sie 18 Werke und wurde Ehrenmitglied der Stuttgarter Academie des Arts. Dennoch scheiterte ihr Versuch, auch in Frankreich zu arbeiten. „Sie wurde als Frau nicht ernst genommen“, schreiben die Ausstellungsmacher. Hochverschuldet kehrte sie nach Berlin zurück.

Dort erreichte sie die ihr in Paris verweigerte Anerkennung. Friedrich der Große erteilte ihr Aufträge für das Neue Palais in Potsdam, die sogar zu weiteren Arbeiten am Zarenhof führten. Die Ausstellung zeigt Therbuschs Gemälde von Georg Wilhelm und Eleonore von Bismarck, die Maren von Bismarck dem Brandenburg-Preußen Museum zur Verfügung gestellt hat.

Das Haus wird privat von Ehrhardt Bödecker geführt, erhält keine öffentlichen Mittel und zeigt vielleicht gerade deswegen beeindruckende Ausstellungen, die sich angenehm von offiziösen, politisch-korrekten Schauen abheben.

Der Besucher lernt hier, daß eben nicht nur Otto von Bismarck zu den großen Preußen gehörte. Die Wustrauer Schau zeigt auch die Biographie von dessen Frau Johanna (1824-1894), die den von Kaiser Wilhelm II. erzwungenen Rücktritt ihres Mannes als Unglück für Deutschland wertete. Der im Ruhestand befindliche Reichskanzler meinte dazu scherzhaft: „Das Alter des Methusalems würde nicht ausreichen, um die Gefängnisstrafen abzusitzen, deren sich meine Frau täglich wegen Majestätsbeleidigung schuldig zu machen pflegt.“

Die glückliche Ehe der Bismarcks

In den Vordergrund stellen Bödecker und seine Mannschaft die glückliche Ehe, die die beiden führten, und verweisen auf die Briefe zwischen dem Eisernen Kanzler und dessen Frau: „Der Schriftwechsel gehört zu den Höhepunkten der Briefliteratur des 19. Jahrhunderts.“ Eine besonders schöne Liebeserklärung von Otto an Johanna zum 40. Hochzeitstag zitiert das Museum: „Ich danke Gott und danke Dir für 40 Jahre unwandelbarer Liebe und Treue. Es waren 14.610 Tage, daneben 2.088 Sonntage und zehn 29te Februare. Gute und schlimme, aber doch viel mehr gute.“ Die Ehe währte 47 Jahre, bis zum Tode Johannas. Vier Jahre später starb – die Trauer nie verwindend – auch Otto von Bismarck. Am 3. Oktober stellt Manfred Jatzlauk im Brandenburg-Preußen Museum die Frau des Reichsgründers noch ausführlicher vor.

Ausgesprochen interessant dargestellt ist auch der Lebensweg der Elisabeth von Ardenne, deren Schicksal Theodor Fontane als Vorbild für seine „Effi Briest“ diente. Das Museum zeigt dazu die Erstausgabe des Buches von 1896. Am 5. September vertieft Gotthard Erler das Leben der Frau von Ardenne.

Dazu können sich die Besucher über Gräfin Lichtenau (1753–1820), Mätresse von König Friedrich Wilhelm II., informieren. Die Frau gebar dem Monarchen fünf Kinder. Aus Dank baute er ihr das heute noch wunderschöne Ruinenschlößchen auf der Berliner Pfaueninsel. Außerdem zu sehen: Anna von Preußen (1576–1625), Erbin der Herzogtümer Kleve und Preußen, sowie Sophie Henschel (1841–1915), Inhaberin der Lokomotivfabrik Henschel und Sohn.

Besucher, die sich in Wustrau dem Leben der preußischen Frauen gewidmet haben, können anschließend die Dauerausstellung zur brandenburgischen, preußischen und deutschen Historie besichtigen. Sie erfreut durch geradlinige Geschichtsschreibung, in der auf den üblichen büßerischen Unterton gänzlich verzichtet wird.      

 

Die Ausstellung ist bis zum 31. Oktober im Brandenburg-Preußen Museum, Eichenallee 7a, 16818 Wustrau, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt kostet 2,50 Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Telefon: 03 39 25 / 707 99, Internet: www.brandenburg-preussen-museum.de

Fotos: Elisabeth von Ardenne (1853–1952), gemalt von Emil Hartwich: Die Großmutter des Physikers Manfred von Ardenne diente Fontane als Vorbild für seine Romanfigur „Effi Briest“, Dorothea Christiana Erxleben: Pionierin der Medizin

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