© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/09 12. Juni 2009

Zeitschriftenkritik: Architectural Digest
Kein Platz für Ikea
Marcus Schmidt

Anfang des Jahres mußte der britisch-amerikanische Verlag Condé Nast sein erst 2007 in Deutschland gestartetes Hochglanzmagazin Vanity Fair vom Markt nehmen. Während das Aus der Zeitschrift mit der Anzeigenkrise begründet wurde, sprachen Medienfachleute davon, daß das Konzept des in den Vereinigten Staaten äußerst erfolgreichen „Jahrmarkts der Eitelkeiten“ in Deutschland mangels Publikum gescheitert sei.

Wesentlich erfolgreicher auf dem deutschen Markt läuft dagegen das seit 1997 ebenfalls von Condé Nast herausgegebene monatliche Magazin Architectural Digest, kurz AD genannt, von dem im Juni die 100. deutsche Ausgabe erschienen ist. Das Heft mit einer Auflage von knapp 150.000 verspricht im Untertitel „Die schönsten Häuser der Welt“, und man könnte hinzufügen: auch die teuersten. Doch streng genommen interessiert sich das Heft weniger für das architektonische Drumherum als vielmehr für das Innenleben der Wohnungen und Häuser von zumeist Prominenten aus Kunst und Kultur.

Wenn man das Hochglanzmagazin durchblättert, mag man nicht glauben, daß die Printmedien unter einer Anzeigenkrise stöhnen. Ob für sündhaft teure Schweizer Uhren, erlesenes Porzellan, hochwertige Auto- oder edle Kleidermarken: AD versammelt sie alle in Hülle und Fülle. Die Anzeigen, die man durchweg der Rubrik „Luxus“ zuordnen kann, deuten an, welche Leserschaft die Macher von AD im Blick haben: die Besserverdiener. Denn das Heft richtet sich weniger an jene, die ihre Mietwohnung mit Ikea-Möbel ausstatten, sondern eher an jene, die es zumindest nicht für völlig abwegig halten, sich eine durchsichtige Designer-Badewanne für 15.000 Euro zuzulegen, wie sie im aktuellen Heft mit dem üblichen Verweis auf die Bezugsquelle vorgestellt wird. Oder soll es doch eher eine Schale aus grau melierter Jade sein (350.000 Dollar)? Chefredakteurin Margit J. Mayer, die das Blatt seit 2000 führt, definiert ihre Zielgruppe verständlicherweise etwas anders: „Deutschsprachige Menschen, die gerne über Stil streiten, nicht aber über ihr Recht darauf.“ Und dabei wüßten, daß Gutes nicht zu billig sein dürfe, wenn es bleiben solle.

Doch wer sich nicht vom Sozialneid übermannen läßt und sich hütet, die zahlreichen Produkthinweise wirklich alle ernst zu nehmen, sondern sie als gute Unterhaltung begreift, kann in exzellent fotografierten Reportagen schwelgen. Er erhält Einblicke in stilsicher eingerichtete  englische Landsitze, in exzentrische New Yorker Penthouses nebst eigenem Garten im sechsten Stock oder wohlinszenierte Berliner Künstlerwohnungen. Dazu gesellen sich immer wieder bodenständige Berichte etwa über die legendäre Schwarzwaldhütte des Philosophen Martin Heidegger und (in der Jubiläumsausgabe) ein eindrucksvolle Foto-Rundgang durch das gerade fertiggestellte Neue Museum in Berlin, versehen mit Erläuterungen des für den Wiederaufbau zuständigen Architekten David Chipperfield.

Und mitunter kann man einige Anregungen finden, die sich auch mit Möbeln von Ikea umsetzen lassen.

Anschrift: Architectural Digest, Unter den Linden 10, 10117 Berlin. Internet www.ad-magazin.de

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