© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/09 19. Juni 2009

Schmerzhafter Abschied von einer Utopie
Einwanderung: Der aktuelle Integrationsbericht zeigt erneut eindrucksvoll, wie schlecht es um die Eingliederung von Ausländern steht
Fabian Schmidt-Ahmad

Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude sind eine Bereicherung für uns alle.“ Legendär die Worte der CDU-Staatsministerin und Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marion Böhmer, mit der sie vor einem Jahr die sozialen Konflikte durch Einwanderer verniedlichte. Solch zynischen Euphemismus konnte Böhmer vorige Woche wiederholen, als sie gutgelaunt den Bericht „Integration in Deutschland“ vorstellte. Von „Erfolgen“ wußte sie zu berichten, und das verblüffte Publikum durfte sich fragen, ob Böhmers Realitätsabstinenz neuerdings bei ihren eigenen Studien beginnt.

Gedacht war die Untersuchung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung eigentlich dazu, die Integration von Einwanderern in die Gesellschaft meßbar zu machen. Was dabei allerdings gemessen wurde, reiht sich nahtlos in die endlose Folge jener Studien ein, die offenbar machen, was eigentlich sowieso schon jeder weiß, der mit offenen Augen entsprechende Stadteile besucht: daß die Integration katastrophal gescheitert ist. 1,6 Prozent der 18 bis 24 Jahre alten Deutschen, die sich nicht in einer Ausbildung befinden, besitzen keinen Schulabschluß. Dagegen sind es 4,4 Prozent bei denjenigen mit Einwanderungshintergrund, bei Ausländern gar 7,5 Prozent.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den 25- bis 35jährigen ohne berufsqualifizierendem Abschluß. Sind dies bei den Deutschen unter zehn Prozent, so sind es bei Ausländern ganze 41 Prozent. Selbst die in Deutschland aufgewachsenen Nachkommen sind mit 26,3 Prozent deutlich schlechter qualifiziert. So geht es in trostloser Monotonie weiter: „Die Arbeitslosenquote von Ausländerinnen und Ausländern ist mit 20,3 Prozent etwa doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung.“ Auch sind sie „in höherem Maße auf Unterstützung angewiesen“ und nehmen diese mehr als doppelt so häufig in Anspruch.

Dabei kann man den Autoren der Studie keinen Vorwurf machen. Zwar behaupten sie, „ein soweit objektiv wie mögliches Bild über Stand und Entwicklung der Integration“ wiederzugeben. Tatsächlich werden aber die eigentlichen Probleme umschifft: „Eine ‘Ethnisierung’ der Konflikte durch vorschnelle Zuweisungen von Problemlagen zu einzelnen Zuwanderergruppen wird vermieden. Statt dessen werden hier komplexe Zusammenhänge herausgearbeitet, in denen Integrationsschwierigkeiten im Kontext sozialstruktureller Probleme betrachtet werden.“ Dies bedeutet in der Praxis, daß der – für gewöhnlich wesentlich besser integrierte – Nachkomme von Spätaussiedlern zusammen mit seinem türkischen oder arabischen Altersgenossen unterschiedslos in die Statistik einfließt.

Zahlreich sind die Zugeständnisse an das Weltbild des Multikulturalismus. So wird Integration ausschließlich als Selbstzweck betrachtet: „Ebenso wird auf eine ‘Kosten-Nutzen-Rechnung’ von Migration beziehungsweise Integration verzichtet, die den Kern der Integrationsthematik verfehlt.“ Statt dessen wird als „Fortschritt“ von Integration „die Angleichung der Lebensverhältnisse der Personen mit Migrationshintergrund an die der Gesamtbevölkerung“ angestrebt. Eine vollkommen irrationale Vorstellung, die viel mit sozialistisch-utopischen Träumereien, aber wenig mit der kulturellen Realität zu tun hat: „Als Indikator für interkulturelle Akzeptanz und gesellschaftliche Offenheit gegenüber Zugewanderten gilt die Zahl der bikulturellen Ehen beziehungsweise der Anteil an allen Ehen“, wollen die Forscher ausgemacht haben. Dieser Anteil, der im betrachteten Zeitraum von 2005 bis 2007 bei gleichbleibenden zehn Prozent lag, könnte tatsächlich etwas über Integration aussagen. Nur versäumten es die Autoren, diese Ehen nach Geschlechtern zu differenzieren. Denn es macht einen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann einheiratet, zumal in Deutschland die rechtliche Situation eines vielleicht nur geduldeten ausländischen Mannes durch Heirat und Kindszeugung mit einer Deutschen ganz wesentlich verbessert wird. Daß fast zwei Drittel aller geduldeten Ausländer Männer sind, überwiegend aus dem Nahen Osten, könnte da vielleicht schon jenseits von „Gender Mainstreaming“ eine Rolle spielen.

Der dürftigste Teil der Studie betrifft das eigentlich spannendste Thema, „Kriminalität, Gewalt und Diskriminierung“. Warum dem so ist, läßt sich allerdings leicht erahnen. „Eine Beurteilung der ‘Kriminalitätsbelastung’ ist aus verschiedenen Gründen schwierig und bedarf deshalb eines differenzierten und sensiblen Umgangs mit den Daten“, winden sich die Autoren. „Da sonst die Gefahr einer klischeeverstärkenden Interpretation besteht“, sagen sie außer den gewundenen Formulierungen eigentlich gar nichts und verweisen ausgerechnet auf die ausgesprochen tendenziöse Studie „Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt“ des Kriminologen Christian Pfeiffer (JF 14/09).

Sinnvoll ist die Forderung der Wissenschaftler, bei zukünftigen statistischen Erhebungen nicht nur die Staatsbürgerschaft, sondern auch einen Einwanderungshintergrund zu erfassen. Es bleibt nur zu hoffen, daß sie von ihrer eigenen Courage nicht erschrecken, dürften sie selbst doch abschätzen können, daß dies nicht gerade zu einer Schönung ihrer Studie beitragen würde. Im Anhang wird dies leicht angedeutet, wenn die „Konservierung der soziokulturellen Bezüge zum Herkunftsland“ als „integrationshemmend verstanden werden kann“. Bleibt als bedeutendes Ergebnis der Integrations-Studie lediglich die Erkenntnis, daß Wissenschaft und Ideologie sich noch nie gut vertragen haben.

Foto: Sogenannter „Mütterkurs“ an einer Berliner Schule: Zugeständnisse an den Multikulturalismus

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