© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/09 19. Juni 2009

Der Löwe soll wieder brüllen
Geschichtspolitik: Auf Antrag der Linkspartei betreibt Flensburg die Rückkehr eines dänisches Siegesdenkmals
Hans-Joachim von Leesen

Während in vielen deutschen Städten in den vergangenen Jahren Denkmäler, die an die Gefallenen der Kriege erinnern, abgeräumt oder beschmiert und beschädigt worden sind, können sich die Flensburger demnächst wohl über ein neu-altes Ehrenmal freuen. Geplant ist die Wiedererrichtung eines „Siegesdenkmals“ – allerdings keines deutschen, sondern eines dänischen.

Denn die Ratsversammlung der nördlichsten Stadt Deutschlands hat jetzt mit großer Mehrheit beschlossen, die Verwaltung zu beauftragen, bei den dänischen Behörden zu klären, ob der sogenannte Idstedt-Löwen wieder an seinen alten Standort in Flensburg zurückkehren kann. Die Ratsfrauen und -herren sind der Ansicht, es gebe heute keinerlei Raum für nationalistische oder gar feindselige Interpretationen dieses Denkmals, das einst von den dänischen Besatzern errichtet worden war. Der Löwe solle vielmehr „als Symbol dafür betrachtet werden, daß diese geschichtlichen Wirrungen endgültig überwunden sind“. Wenige Tage später konnte der Flensburger Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner (CDU) anläßlich des Jahrestreffens der dänischen Minderheit erfreut mitteilen, die dänische Regierung habe „dem Wunsch der Flensburger Ratsversammlung nach einer Verlegung des Idstedt-Löwen nach Flensburg“ zugestimmt.

Es ist nicht bekannt, daß zuvor von dänischer Regierungsseite ein entsprechender Wunsch an die Stadt Flensburg herangetragen worden wäre. Hingegen hat sich der in Dänemark wegen seiner antideutschen Tiraden bekannte Folketing-Abgeordnete Sören Krarup von der weit rechts stehenden Dänischen Volkspartei kürzlich an den dänischen Ministerpräsidenten Lars Lökke Rasmussen gewandt, er solle mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Vereinbarung treffen, um den Idstedt-Löwen nach Flensburg zu holen. Diesen Wunsch erfüllen schließlich 30 der 43 Flensburger Ratsmitglieder, obgleich die Partei der dänischen Minderheit (SSW) nur neun der Ratssitze einnimmt. Nun sollen Einzelheiten wie etwa der Transport und die Aufstellung dieses monumentalen Denkmals, das immerhin inklusive Sockel über acht Meter Höhe mißt, ausgehandelt werden.

Der Idstedt-Löwe war das Werk dänischer Chauvinisten des neunzehnten Jahrhunderts. 1850 hatten dänische Truppen die aufständischen Schleswig-Holsteiner, die unter dem Druck europäischer Großmächte vom übrigen Deutschland allein gelassen werden mußten, zwischen Schleswig und Flensburg in der Schlacht bei Idstedt  vernichtend geschlagen.  Die deutschen Herzogtümer Schleswig und Holstein wurden nach dem Sieg Dänemark wieder eingegliedert. Der dänische Unterrichtsminister Bertel Haarder hat jetzt denn auch sinnigerweise vorgeschlagen, den Löwen am 25. Juli 2012, dem Jahrestag der schleswig-holsteinischen Niederlage, wieder aufzustellen.

Im Zuge einer teils rabiaten Danisierungswelle wurde nach 1850 auf dänischer Seite die Idee geboren, ein Siegesmal in Flensburg zu errichten, mit dem man gleichzeitig der dänischen Gefallenen gedenken wollte. Dies stieß selbst bei Dänen auf Kritik. Zahlreiche Persönlichkeiten weigerten sich, einen entsprechenden Spendenaufruf zu unterschreiben, weil der Löwe auf die deutschen Schleswig-Holsteiner, die man eigentlich als dänische Untertanen gewinnen wollte, verletzend und herausfordernd wirken würde. Dennoch wurde die Sammlung in Dänemark durchgesetzt und ein als Kunstwerk mißlungener Löwe vom Bildhauer Herman Wilhelm Bissen geschaffen und auf dem alten Flensburger Friedhof errichtet. Als infam wurde von den Deutschen empfunden, daß er auf den Gräbern gefallener schleswig-holsteinischer Soldaten aus der Zeit der Erhebung von 1848/49 errichtet wurde. 1862 wurde der Idstedt-Löwe mit einem dänischen Siegesfest eingeweiht.

Im deutsch-dänischen Krieg von 1864 machten sich deutsche Schleswig-Holsteiner noch vor der Befreiung Flensburgs daran, den verhaßten Löwen zu demontieren. Schließlich wurde er nach Berlin transportiert. Die amerikanischen Besatzungstruppen sorgten 1945 dafür, daß der Löwe nach Kopenhagen gebracht wurde. Schon bald danach verlangten dänische grenzrevisionistische Kreise, das Standbild wiederum in Flensburg am alten Standort aufzubauen. Es war erklärtes Ziel, durch dieses bedeutungsschwere Denkmal die dänische „Kulturoffensive mit dem Ziel volklicher Eroberung“ (so die offizielle Bezeichnung der Bestrebungen, die Grenze nach Süden zu verschieben) zu stärken. Daher stießen solche Vorhaben auf heftige deutsche Abwehr. Zuletzt wurde 1992 von dänischer Seite, unterstützt von einigen namhaften deutschen Sozialdemokraten, ein solcher Vorstoß unternommen, der in der Flensburger Öffentlichkeit scharfen Widerspruch hervorrief.

Was jetzt die Ratsversammlung veranlaßt hat, die Rückkehr des Idstedt-Löwen zu betreiben, ist rätselhaft. Der Antrag – eingebracht von der dreiköpfigen Fraktion der Linkspartei, die sonst nicht gerade bekannt ist für ihre Vorliebe für kriegerische Denkmäler – wird mit der Behauptung begründet, der Löwe könne in Flensburg zu einem Symbol der Aussöhnung in der Region, aber auch zwischen Dänen und Deutschen im allgemeinen werden.

Woher die Mittel für den Transport und die Aufstellung des Löwen kommen sollen, ist schleierhaft. Kritiker verweisen vorsorglich darauf, daß die Stadt Flensburg wie auch das Land Schleswig-Holstein nahezu pleite sind.

Fotos: Demontageversuch 1864, Der Idstedt-Löwe in Kopenhagen: Bald wieder in Flensburg?

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