© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/09 19. Juni 2009

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Verstrickung
Karl Heinzen

In weit mehr als der Hälfte der Staaten weltweit werden die Menschenrechte verletzt. Die zahlreichen auf diesem Gebiet tätigen Nichtregierungsorganisationen haben an diesem Mißstand im Kern leider nichts ändern können, vermochten ihn aber immerhin im Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit zu verankern. In dieser Aufklärungsarbeit wurde jedoch der Aspekt vernachlässigt, daß es nicht nur staatliche oder parastaatliche Akteure, sondern auch Wirtschaftsunternehmen sind, die sich Verstöße gegen die Menschenrechte zuschulden kommen lassen. Auf dieses Manko weist nun die Bundestagsfraktion der Grünen in einem Antrag hin, der die Bundesregierung dazu auffordert, auf diesem Gebiet endlich die Initiative zu ergreifen.

Der Vorstoß kommt zur rechten Zeit. Zum einen ist der Export so drastisch eingebrochen, daß sehr viele Unternehmen unterdessen die Muße haben, über eigene Versäumnisse und mögliche Verbesserungspotentiale nachzudenken. Zum anderen könnte die Bundesregierung jetzt, da man sich im freien Fall zu einer noch nicht erkennbaren Talsohle befindet, die Voraussetzungen dafür schaffen, daß dann, wenn der Außenhandel wieder anspringt, ein neuerliches Wachstum unter dem Gütesiegel menschenrechtlicher Unbedenklichkeit erfolgt.

Ein Kernproblem ist dabei, wie die Grünen in ihrem Antrag bemerken, daß „das Feld der menschenrechtlichen Folgen von Unternehmenshandeln noch wenig erforscht ist“. Festzuhalten ist jedoch bereits jetzt, daß die Gefahren einer schuldhaften Verstrickung von Firmen in ihren internationalen Aktivitäten vielfältig sind. Noch verhältnismäßig einfach erschließen sich Fälle, in denen Geschäfte mit fragwürdigen Regimen getätigt werden, die diesen in ihrer Unterdrückungspolitik direkt oder indirekt nutzen könnten, oder deutsche Unternehmen unter Verletzung der hierzulande selbstverständlichen Menschenrechtsstandards in Problemländern produzieren oder Serviceleistungen anbieten.

Nicht minder bedenklich, aber weitaus komplizierter aufzuklären sind Geschäfte mit anderen Unternehmen, die keine Skrupel haben, Menschenrechte zu ignorieren. Auch hier machen sich deutsche Firmen zumindest indirekt schuldig. Und schließlich sind auch Wirtschaftsbeziehungen mit Staaten in Frage zu stellen, die zwar selbst die Menschenrechte respektieren, aber mit solchen zusammenarbeiten, die diese mit Füßen treten. Es ist somit letztlich die Exportwirtschaft insgesamt, hinter die es ein Fragezeichen zu setzen gilt, wenn wir unserer Wertordnung gerecht werden wollen.

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