© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/09 26. Juni 2009

Washingtons Einfluß wird sinken
Ostasien: Das chinesische Konjunkturprogramm stimuliert die Weltwirtschaft kaum / Regionale Währungspolitik
Albrecht Rothacher

Das große Gesundbeten war wieder angesagt – diesmal beim Weltwirtschaftsforum Ostasien vorige Woche in Südkorea. Am gewaltigen chinesischen Konjunkturpaket soll die Welt genesen – glauben Optimisten. Umgerechnet 420 Milliarden Euro gibt China innerhalb eines Zweijahreszeitraumes aus. Massive Infrastrukturprogramme, neue Autobahnen, E-Werke oder Eisenbahnlinien werden im Landesinneren gebaut. Das geht zügig, denn mit dem Segen der alleinherrschenden Kommunistischen Partei stellen Enteignungsverfahren oder Umweltauflagen keine Hindernisse dar.

Ein Viertel der Mittel geht in den Wiederaufbau der armen Erdbebenprovinz Sichuan. Angesichts der Weltwirtschaftskrise unverkäufliche Exportprodukte wie Fernseher, Kühlschränke und Fahrräder werden diskontiert an die Landbevölkerung verteilt. Mit Steuernachlässen und Prämien wurden im April allein 1,2 Millionen Autos verkauft. China wurde damit zum größten Pkw-Markt der Welt. Die Staatsbanken waren von der Partei angewiesen worden, die Kreditschranken zu senken und die Geldhähne zu öffnen. Das taten sie so brav, daß ihr Volumen an Neukrediten mit umgerechnet 63 Milliarden Euro im ersten Quartal 2009 bereits die Gesamtmenge des Vorjahres übertraf.

Vorhersehbar flossen viele Gelder sofort in die Börsenspekulation als mit am wenigsten Anstrengung verbundener  Geldvermehrungsmaschine. So stiegen die Kurse der Schanghaier Börse seit Januar prompt um 40 Prozent – und dies sicher nicht, weil die Unternehmen plötzlich wieder Gewinne machen. Der nächste Kurseinbruch und ein Schuldenberg sind vorprogrammiert. Doktrinär verkündet Premier Wen Jiabao unverdrossen, China werde in diesem Krisenjahr um acht Prozent wachsen. Entsprechend rosig werden die Statistiken und Indikatoren frisiert.

Tatsache ist aber, daß trotz steigender Investitionen (plus 30 Prozent) der Außenhandel Chinas weiter steil fällt: Die Importe (minus 25 Prozent) gehen noch stärker zurück als die Exporte. Das chinesische Konjunkturprogramm tut daher nichts für die Weltwirtschaft. Um alle Illusionen der Rettung durch 1,3 Milliarden konsumhungrige Chinesen zu zerstören, erließ Peking jüngst ein „Buy China“-Gesetz: Aus Mitteln der Konjunkturförderung dürfen nur chinesische Produkte gekauft werden, ausländische bedürfen einer Genehmigung der Zentralplanungsbehörde.

Nachdem China im Februar die neuen „Buy American“-Vorschriften der USA scharf kritisiert hatten, ist dieser offene Protektionismus ein starkes Stück für ein Land, dessen Exportüberschuß gegenüber der EU um 17 Millionen Euro stündlich wächst. Etwa 170 Milliarden Euro betrug das bilaterale Handelsdefizit der Europäer gegenüber China im Jahr 2008. Dem entsprechen zig Millionen verlorener EU-Industriearbeitsplätze. Die chinesische Führung muß sich ihrer neuen Finanzmacht und der Ohnmacht des Westens sehr sicher sein, wenn sie keine protektionistischen Gegenmaßnahmen mehr zu fürchten scheint.

Die anderen Exportnationen Ostasiens klammern sich dennoch weiter an die schwindenden Markthoffnungen in China. Japan, Südkorea und Taiwan glauben das Licht am Ende des Tunnels ihres wirtschaftlichen Absturzes zu sehen. Die meisten Industrieaufträge vor Ort dienen jedoch nur dazu, geleerte Lagerbestände aufzufüllen oder die in allen Ländern meist zugunsten der Bauindustrie aufgelegten staatlichen Konjunkturprogramme umzusetzen (JF 11/09). Ansonsten hängt die Binnennachfrage weiter durch. Neue Exportaufträge nach den USA und Eu-ropa bleiben aus. Der Schiffsverkehr hat sich nahezu halbiert. Vor der Reede vor Singapur dümpeln Hunderte von leeren Containerschiffen, die seit Monaten vergebens auf Fracht warten.

Auch der innerasiatische Handel ist weiter stark rückläufig. Offenkundig bestand er zu großen Teilen nur in der arbeitsteiligen Exportfertigung für Endkunden im Westen. Mit der massiven Verschuldung in den USA – des Staats, der Unternehmen und der Verbraucher – ist mit einer nachhaltigen Belebung der Importnachfrage dieses Weltschuldenmeisters absehbar nicht zu rechnen. Damit steht das asiatische Erfolgsmodell auf dem Prüfstand: Besonders betroffen  sind gerade die weltoffenen Exportländer wie Japan, Singapur, Südkorea, Malaysia und Taiwan, deren Wirtschaften 2009 um weitere sechs bis zehn Prozent einbrechen werden. Wie Deutschland produzieren sie für die Weltmärkte und häufen dank hoher nationaler Sparquoten enorme (Dollar-)Devisenschätze an – die die defizitäre Gläubigernation USA durch eine mögliche Inflationspolitik bald entwerten könnte, um sich so von ihren erdrückenden Schuldenberg zu befreien.

Dagegen geht es in der aktuellen Krise mit Wachstumsraten von vier bis sechs Prozent gerade jenen noch relativ gut, die mit dem Weltmarkt dank ihres großen Binnenmarkts noch wenig verzahnt sind: Indien, Indonesien und der chinesischen Binnenwirtschaft. Als Ausweg rückt Ostasien trotz aller geostrategischen Rivalitäten in der Krise zusammen. Als regionale Alternative zum Internationalen Währungsfonds (IWF) haben die Asiaten im Mai ihren eigenen „Asiatischen Währungsfonds“ (Weiterentwicklung der Chiang-Mai-Initiative) mit umgerechnet 120 Milliarden Euro Kapital ausgestattet, der flexibler als der IWF zahlungsunfähige Volkswirtschaften retten soll.

Als weiterer Rettungsanker wurden die Mittel der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) in Manila auf 165 Milliarden Dollar verdreifacht. Noch bei der Asienkrise 1997/98 hatten die USA einen eigenen asiatischen Währungsfonds per Veto blockiert. Heute interessiert Wa­shingtons Meinung niemanden mehr. Im Gegenteil – die Obama-Regierung versucht verzweifelt, die Chinesen, die über 1,4 Billionen an US-Wertpapieren und Dollarnoten halten, von der Solidität ihres zweifelhaften Schatzes zu überzeugen. Ernsthafte Zweifel der Chinesen am bleibenden Wert des Dollar könnten dessen Ende bedeuten.

Deshalb gewinnen Pläne und Forderungen Brasiliens, Rußlands, Indiens und Chinas nach einem gemeinsamen Währungskorb, der im Stil der Sonderziehungsrechte des IWF (JF 15/09) den Dollar als internationale Reservewährung ablösen könnte, an Schärfe. Dies war die Hauptforderung der vier Präsidenten, die sich kürzlich zum BRIC-Gipfel in Jekaterinburg trafen. Die USA wären dann zu einem echten Schuldendienst in dieser internationalen Währung verpflichtet. Die Wirtschaftsmacht der Welt ginge dadurch schnell auf die neuen asiatischen Gläubigerländer über. Die amerikanischen Bankrotteure hätten das Nachsehen (JF 16/09).

 

Dr. Albrecht Rothacher war bis 2006 Direktor an der Asien-Europa-Stiftung (Asef) in Singapur. 2007 erschien sein Buch „Die Rückkehr der Samurai: Japans Wirtschaft nach der Krise“ (Springer Verlag, Berlin).

Foto: Nanking-Straße in Schanghai: China größter Gläubiger der USA

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