© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/09 26. Juni 2009

Zivilcourage und Menschenrechte
CDU-Definition des 20. Juli
Christian Vollradt

Daß Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 mit den Worten „Es leben die heiligen Menschenrechte!“ auf den Lippen vor dem Erschießungspeloton endete, ist nicht überliefert. Wäre es anders, hätte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vielleicht etwas mehr auf diesen Protagonisten des Widerstands gegen Hitler eingehen können. Wulff, Kuratoriumsmitglied der Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau, sprach kürzlich vor der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema „20. Juli 1944: Vermächtnis und Zukunftsauftrag“. Was der christdemokratische Politiker seinem andächtig lauschenden Publikum bieten konnte, war die für derartige Politikerreden typische Melange aus historischer Unkenntnis und Moralpredigt. 

Viel war die Rede von Zivilcourage und Toleranz, wenig von Heldenmut und Opfer; auch Euro­pa tauchte häufig auf – das Reich oder gar das Geheime Deutschland dagegen nicht. Kein Wunder. Für den Satz: „Wir wissen im Deutschen Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen“ wäre Stauffenberg der Eintrag in den Verfassungsschutzbericht sicher.

Seinen historischen Rekurs beschränkte Wulff auf den Teil des Widerstandes, der sich geschichtspolitisch der heutigen Bundesrepublik am ehesten entspräche. Er zitiert etwa die Bewertung des Historikers Hans Mommsen, wonach das Programm des Kreisauer Kreises „von anderen Reformkonzepten des deutschen Widerstands gegen Hitler nicht übertroffen worden ist“. So löblich es ist, wenn Wulff die Akteure von einst ausdrücklich gegen die wohlfeile Ex-post-Kritik in Schutz nimmt, sie hätten sich zu lange passiv verhalten und seien gar keine echten Demokraten gewesen: Diesen ahistorischen Fehldeutungen mit selektiver Wahrnehmung zu begegnen, ist genauso unredlich.

Immerhin: Anders als es mittlerweile in zahlreichen Gedenkstätten Usus ist, plädierte Wulff gegen die unterschiedslose Würdigung der orthodox-kommunistischen Gegner des Nationalsozialismus und für eine strikte Trennung zwischen denen, die einen Rechtsstaat anstrebten, und denen, die eine „Diktatur der Rasse“ durch eine „Diktatur der Klasse“ ablösen wollten.

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