© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/09 03. Juli 2009

Konkurrenz von rechts
Europaparlament: Die Tories spalten die EVP, die UKIP versucht eine „rechte“ Wiederbelebung der Fraktion Unabhängigkeit/Demokratie
Ernst Brandl

Die letzten Wochen standen im Europaparlament ganz im Zeichen der Neuordnung der Fraktionen. Schließlich tritt das Plenum der künftig 736 Abgeordneten am 14. Juli erstmals in seiner 7. Legislaturperiode zusammen. Hektisch geht es am rechten Rand zu, dem ein Großteil der etwa 150 Abgeordneten zugeordnet wird, die nicht bei den fünf Fraktionen mit bundesdeutscher Beteiligung verankert sind. Wie bereits auf der JF-Internetseite berichtet, haben die britischen Tory-Abgeordneten eine neue konservative, aber euroskeptische Fraktion zustande gebracht. Damit vollziehen sie endgültig ihren Austritt aus der bürgerlichen und EU-begeisterten Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der sie seit 1992 angehört hatten. Mit Abgeordneten aus sieben weiteren EU-Ländern schlossen sie sich zur Fraktion European Conservatives and Reformists Group (ECR) zusammen.

An der ECR beteiligen sich neben den 25 Tories und einem weiteren Briten die 15 EU-Abgeordneten der sozialkonservativen polnischen PiS von Ex-Premier Jarosław Kaczyński (bislang Mitglied der rechten Fraktion Union für ein Europa der Nationen/UEN) sowie die neun Vertreter der rechtsliberalen ODS des früheren tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolánek (bislang EVP). Weitere einzelne Abgeordnete aus Belgien, Lettland, Litauen, den Niederlanden und Ungarn komplettieren die ECR, um das Sieben-Länder-Quorum des EU-Parlaments zu erfüllen.

Aus europapolitischer Sicht ist ECR vor allem deshalb von Interesse, weil die Tories die Fraktion auf einen strikten Anti-Lissabon-Kurs einschworen. Der offen EU-skeptische Kurs soll die Tories unter ihrem Vorsitzenden David Cameron wieder zur Regierungspartei machen. Daher hatte der britische Oppositionsführer höchstpersönlich bereits Ende Mai die Gründung einer neuen Mitte-Rechts-Fraktion im EU-Parlament angekündigt, um gegen die „Übertragung weiterer Kompetenzen an Brüssel“ mobil zu machen und eine „Alternative zu den föderalistischen Ideen“ innerhalb der EU anzubieten (JF 27/09).

Briten spielen auch bei einer zweiten Rechts-Fraktion eine entscheidende Rolle. Die United Kingdom Independence Party (UKIP) stellt mit ihren 13 Abgeordneten neben den neun Mitgliedern der italienischen Lega Nord (bislang UEN) die Basis für eine reanimierte, aber nach rechts gerückte Formation in der Nachfolge der Fraktion Unabhängigkeit/Demokratie (IND/DEM). Dazu kommen mit den zwei griechischen Vertretern der rechtsnationalen christlich-orthodoxen Partei LAOS weitere „alte“ IND/DEM-Mitglieder. Die Verhandlungen mit anderen Vertretern von rechten bzw. EU-kritischen Parteien dauern derzeit noch an. Die UKIP unter dem bisherigen IND/DEM-Chef Nigel Farage fürchtet sich vor allem vor dem flämisch-rechtsnationalen Vlaams Belang (VB) sowie der FPÖ, die über jeweils zwei Sitze verfügen. Beide Parteien hatten 2007 der kurzlebigen rechten ITS-Fraktion angehört (JF 48/07).

Doch zur Erfüllung des Länderquorums wären die Verschmähten durchaus vonnöten. Die Dänische Volkspartei (2 Sitze) sowie je ein Vertreter der „Wahren Finnen“ und der Slowakischen Nationalpartei (SNS) reichen nicht für das Fraktionsquorum. Als weiterer Joker im Verhandlungspoker gilt der rechtsbürgerliche französische Abgeordnete Philippe de Villiers (bislang IND/DEM), der mit seinem MPF als einziger unter dem Libertas-Logo des irischen EU-Kritikers Declan Ganley ins Parlament einzog.

Die italienischen Postfaschisten der Alleanza Nationale (AN, bislang UEN) spielen im Fraktionspoker keine Rolle mehr – Gianfranco Fini hatte die AN im März in Silvio Berlusconis Großpartei Popolo della Libertà (PdL) aufgehen lassen. Die einstigen Mussolini-Verehrer sind damit automatisch bei der EVP von CDU/CSU und ÖVP gelandet. Die EVP bleibt stärkste Kraft im Parlament, der Franzose Joseph Daul von Nicolas Sarkozys UMP ihr Chef.

Ebenfalls im Amt bestätigt wurde der SPD-Politiker Martin Schulz – doch seine Fraktion mußte wegen des Beitritts der postkommunistisch-linkskatholischen italienischen Oppositionspartei Partido Democratico (PD) ihren Namen ändern: Die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) heißt nun Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament (PASD). Bei den Grünen wurde neben Daniel Cohn-Bendit die Deutsche Rebecca Harms als Co-Vorsitzende gewählt, und auch die Vereinigte Europäische Linke wird in Zukunft von einem Deutschen, Lothar Bisky, geführt werden.

Foto: UKIP-Chef Farage: Mit 13 Abgeordneten im EU-Fraktionspoker

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