© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/09 10. Juli 2009

UMWELT
Tierschützer entdecken Michael Jackson
Volker Kempf

Künstler haben sich immer wieder auch für den Tierschutz engagiert, indem sie sich „lieber nackt als im Pelz“ zeigten. Nun haben Tierschützer aber Michael Jackson (JF 28/09) für sich entdeckt. Denn Jacksons erster Solo-Erfolgstitel „Ben“ wurde 1972 für einen gleichnamigen Film geschrieben und handelt von der Freundschaft zwischen einem einsamen Jungen und einer Ratte mit dem Namen Ben. Das wahre Wesen der Ratte werde verkannt, sie bleibe unverstanden, singt da ein Junge: „Ben, die meisten Menschen drehen sich um / Ich höre ihnen aber nicht zu / Sie sehen dich nicht wie ich / ich wünschte, sie würden es versuchen.“ Diese Strophen sind um so bemerkenswerter, als in den USA die Tierschutzgesetze für Ratten nicht gelten und sie jenseits des Atlantik die am wenigsten geachteten Säugetiere sind. Das wollen Tierschützer ändern und freuen sich, hierfür auf die derzeit wohl bekannteste Stimme der Welt verweisen zu können.

Der verstorbene Jackson war aber nicht der erste Künstler von Weltruhm, der sich der Ratten annahm und Gefühle für sie ausdrückte. Schon Hugo von Hofmannsthal beschreibt in seinem fiktiven Brief an Francis Bacon seine Gefühle für eine Rattenmutter, deren Familie in seinem Keller vergiftet wird. Dieser „Brief des Lord Chandos“ gilt heute als Gründungsdokument der modernen Literatur. Das Thema ist der Moderne erhalten geblieben und kehrt in der einen oder anderen Form wieder, so auch bei Jackson, einem Kind unserer Zeit. Daß der eine vor allem den kommerziellen musikalischen Erfolg verkörpert, der andere die anspruchsvolle literarische Kunst, ändert daran nichts. Mitgefühl für Tiere ist ein Thema, das alle Kunstsparten durchzieht und die „einsame Masse“ (David Riesman) berührt.

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