© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/09 10. Juli 2009

Frisch gepresst

Historikerstreit. Ein richtiges rundes Jubiläumsdatum galt es 2008 nicht zu feiern, wenn man an den 1986 ausgebrochenen „Historikerstreit“ zurückdachte. Trotzdem präsentiert der Herausgeber Volker Kronenberg sein Sammelwerk „Zeitgeschichte, Wissenschaft und Politik“ mit dem bilanzierenden Untertitel: „Der ‘Historikerstreit’ – 20 Jahre danach“ (Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, broschiert, 201 Seiten, 29,90 Euro). Natürlich bildet Ernst Noltes Anteil an diesen geschichtspolitischen Großkampftagen der späten Bonner Republik einen Schwerpunkt des Bandes. Von Noltes alten Kontrahenten, den Blockwarten und Mauerschützen an den „intellektuellen Sperrzonen“ (Egon Flaig), den Winkler, Wehler, Habermas et al., mochte sich allerdings, sieht man von dem damals eher randständigen Ulrich Herbert (Freiburg) ab, niemand bei Kronenberg zu Wort melden. Dies bestätigt, daß die von ihm zu Recht beklagte „Verdächtigungskultur“ weiterhin die Ausgrenzung und Stigmatisierung des Berliner Geschichtsdenkers konserviert. Wie totalisiert und tabuisiert hierzulande die kaum so zu nennende „Debatte“ um Noltes Thesen weiterhin ist, wie auffallend die von seinen Kritikern reklamierte „kommunikative Rationalität“ dem Ungeist der Normannenstraße ähnelt, ergibt ein Blick über die Grenzen. Die Beiträge von Pierluca Azzaro, Enzo Traverso und Stéphane Courtois belegen, daß sich in den freieren Gesprächskulturen Frankreichs und Italiens Noltes Deutungen mittlerweile etablieren konnten. Sehr lesenswert ist auch die Studie von Lazaros Miliopoulos über den Zusammenhang zwischen Habermas’ „Westverständnis“ und seiner Traditionen negierenden Diskurstheorie.

 

Deutsche und Polen. Der Teil Ostdeutschlands, der noch bis Mitte der siebziger Jahre als „unter polnischer Verwaltung“ stehend auf der Wetterkarte verzeichnet war, erfreute sich seit dieser Zeit einem regen Austausch, den nicht zuletzt die Vertriebenen als „Heimwehtouristen“ begründeten. So verwundert es auch nicht, daß gerade bei den dort lebenden Polen demoskopisch belegt die Furcht und Abneigung gegenüber revanchistischen Vertriebenen am geringsten ist. Dies vermittelt auch der zweisprachig vorliegende Tagunsbericht des 6. Deutsch-Polnischen Kommunalpolitischen Kongresses der Landsmannschaft Ostpreußen (Hamburg 2009, broschiert, 120 Seiten, kostenlos zu beziehen über www.ostpreussen.de), der im Oktober 2008 im ermländischen Allenstein stattfand. Die von deutschen und polnischen Referenten betonte gute Zusammenarbeit unter wechselseitigem Respekt ist aber vermutlich auch der Tatsache geschuldet, daß man außer der Heimatgeschichte alle scharfen Klippen der Geschichtspolitik weit umschifft.

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