© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

Rote Karte für die Politik
Einheitsfront: Im „Kampf gegen Rechts“ lassen sich auch Sportfunktionäre instrumentalisieren
Richard Hausner

Unser Land braucht eine breite Einheitsfront gegen rechts“, titelte das Neue Deutschland am 4. Januar 1990. Eine durch den Zusammenbruch des Sozialismus in die Defensive geratene und tief verunsicherte Linke versuchte vom eigenen Versagen abzulenken. Knapp 20 Jahre später ist festzuhalten: Der „Kampf gegen Rechts“ ermöglichte ihr die Rückeroberung bereits verloren geglaubten Terrains. Aus der breiten Einheitsfront gegen Rechts wagt heute niemand mehr auszuscheren. Auch nicht der Sport und selbstverständlich auch nicht der größte Einzelsportverband der Welt mit über sechs Millionen Mitgliedern: der Deutsche Fußball-Bund (DFB).

Die Instrumentalisierung des deutschen Fußballs ist eng mit Theo Zwanziger verknüpft, der seit September 2006 alleiniger DFB-Präsident ist und den „Kampf gegen Rechts“ zur Chefsache erklärte. Bis dahin stand dem DFB mit Zwanziger und Gerhard Mayer-Vorfelder eine Doppelspitze vor. Mayer-Vorfelder hatte das Format, sich gegen den Zeitgeist zu stemmen. So kritisierte er die Einbindung des DFB in die von der Wochenzeitung Die Zeit ins Leben gerufene Internet-Plattform „Netz gegen Nazis“. Freilich ist Mayer-Vorfelder nicht gefeit vor Fehldeutungen. Wenn er eine zunehmende Radikalisierung der Anhänger bemerkt haben will (siehe Interview auf Seite 3), ist ihm entgegenzuhalten, daß die Gewaltproblematik in den 1980er und 1990er Jahren wesentlich drängender war. Gegenwärtige Auswüchse im Jugendbereich und den unteren Amateurklassen gehen fast ausschließlich auf das Konto von Spielern mit Migrationshintergrund. Dem renommierten Fanforscher Gunter A. Pilz zufolge ist der Rassismus in den deutschen Stadien rückläufig.

Für Mayer-Vorfelder wiederum spricht, daß es nur schwer vorstellbar ist, daß der frühere CDU-Minister die Kompaßnadel des Schwulen Netzwerkes NRW erhält – wie Zwanziger vor drei Wochen. Inzwischen finanziert der DFB neben Flugblättern gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben auch die jährliche Teilnahme des Dachverbandes schwul-lesbischer Fußballfanclubs QFF am Christopher Street Day in Köln.

Diese Politisierung findet auch in der DFB-Kulturstiftung statt. Im Kuratorium dieser Einrichtung sitzen Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, und Grünen-Chefin Claudia Roth. Letztere bemühte sich unmittelbar nach der WM 2006 um die Deutungshoheit der schwarzrotgoldenen Begeisterung. Diese sei keine Neuauflage von Patriotismus gewesen. Die Bundesvorsitzende prahlte: „Ich habe die Regenbogenfahne gehißt.“ Keine Frage, Roth wird über die politisch-korrekte Ausrichtung des DFB wachen. Der „Kampf gegen Rechts“ im Fußball dürfe nicht enden, versichert sie. Spätestens seit der WM 2006 ist auch der Fußball zu wichtig, als daß die Politik auf eine Vereinnahmung verzichten könnte.

Begünstigt wird die politische Instrumentalisierung des Fußballs zudem von einer neuen Regel des Weltverbandes FIFA. Clubs, in deren Stadien es zu rassistischen Vorfällen kommt, können demnach mit Punktabzug, im Wiederholungsfall sogar mit Zwangsabstieg belangt werden. Auch sind die Schiedsrichter befugt, Spiele abzubrechen. „Die Solidargemeinschaft haftbar zu machen für das Fehlverhalten einiger weniger ist der notwendige Schritt, um diese Dinge bekämpfen zu können“, verteidigt Zwanziger die Sippenhaftung. Sportlich ist es jedenfalls nicht, einer radikalen Minderheit Einflußmöglichkeiten auf eine Spielwertung zu eröffnen. Das Spiel muß auf dem Platz entschieden werden und nicht auf den Rängen. Um Sportlichkeit geht es in diesem Falle aber nicht, sondern um erzieherische Maßnahmen, Profilneurosen und die Befriedigung einflußreicher Lobbyisten.

So verschwimmt der „Kampf gegen Rassismus“ mit dem „Kampf gegen Gewalt“. Ausschreitungen linksradikaler St. Pauli-Anhänger werden verharmlost oder als unpolitisch dargestellt, Randale unpolitischer Hooligans dagegen mit Rechtsradikalismus in Verbindung gebracht. Musterbeispiel dafür war im April 2007 die Reaktion von Rolf Hempelmann, damals Präsident von RW Essen und seit 1994 SPD-Bundestagsabgeordneter, der unmittelbar nach der durch Ausschreitungen unterbrochenen Zweitliga-Partie gegen Hansa Rostock ein verstärktes Engagement im „Kampf gegen Rechts“ forderte. RW Essen gehört auch zu den ersten Vereinen, die eine Kleiderordnung für den Stadionbesuch erstellten. Kleidungsmarken, Abzeichen und Symbole, die man „eindeutig der rechten Szene zuordnen“ kann, sind im Stadion verboten. Bei Zuwiderhandlungen gibt es entweder keinen Einlaß oder den Verweis aus der Arena.

Was für eine Lynchjustiz in einem solch aufgeheizten Klima gegen eine winzige Minderheit entstehen kann, zeigte im November 2008 das Bundesliga-Spiel zwischen dem VfL Bochum und Werder Bremen. Elf Bremer Anhänger, darunter sechs der Polizei bekannte Personen aus dem „rechten Spektrum“, hißten mehrfach ein Spruchband mit der Aufschrift „NSHB“ (Nordsturm Hansestadt Bremen) inklusive Totenkopf. Sie mußten daraufhin zu ihrem Schutz vor den eigenen aufgebrachten Bremer Fans in Gewahrsam genommen werden. Polizei-Einsatzleiter Ulrich Grzella betonte, daß kein Straftatbestand vorgelegen habe. Zwanziger wertete das aggressive Verhalten einer überwältigenden Mehrheit gegen eine kleine Minderheit, bei dem sich die Polizei nach Handgreiflichkeiten zum Einschreiten genötigt sah, als „ein Musterbeispiel für Zivilcourage im Stadion“. Das nährt den Verdacht, im „Kampf gegen Gewalt“ sei Gewalt ein legitimes Mittel.

Energisch widersprochen werden muß auch dem Angebot Zwanzigers an die Politik („Benutzt den Fußball. Benutzt ihn zur Integration.“). In einer freiheitlichen Gesellschaft darf der Sport nicht für politische Zwecke „benutzt“ werden. Schon gar nicht von totalitären Ideologen.

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