© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

Irre Finanzmarktpolitik
Wie zwei Bundesregierungen Deutschland ruiniert haben
Wolfgang Philipp

Die Beweiskette steht: Die Finanzkrise ist in Deutschland das Ergebnis einer von langer Hand vorbereiteten „Finanzmarktpolitik“ der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder und der schwarz-roten von Angela Merkel. In einem bisher von der Öffentlichkeit kaum beachteten Aufsatz hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen im Januar 2006 unter der Überschrift „Was darf die deutsche Kreditwirtschaft von der neuen Bundesregierung erwarten?“ diese sogenannte Finanzmarktpolitik vorgestellt: Sie sei ein „Eckpfeiler des Koalitionsvertrages“ und verfolge eine Strategie mit „wegweisenden Zukunftsprojekten“. Deren Gegenstand sind genau jene Geschäfte, welche die Finanzkrise ausgelöst haben (siehe Seite 11).

Den Banken wird in Aussicht gestellt, von „Eigenkapitalentlastungen zu profitieren“. „Dienst nach Vorschrift“ werde es nicht geben, besondere Anstrengungen seien auf den „Ausbau des deutschen Verbriefungsmarktes“ gerichtet. Unter anderem durch die Beseitigung gewerbesteuerlicher Hürden habe man den Weg für „True Sale“-Verbriefungen in Deutschland bereitet (dabei wird mit dem Verkauf der Forderungen auch das Ausfallrisiko übertragen). Als nächsten Akt kündigt der Minister gar an, Grenzen beim Erwerb von Asset Backed Securities (die sich nun oft als „Schrottpapiere erwiesen haben) „in den Anlagebestimmungen von Versicherungen, Pensionsfonds und Investmentfonds zu überprüfen“. Wäre dies umgesetzt worden, hätten Millionen von Deutschen sogar ihre Altersversorgung verloren!

Die Sache hat ihre Vorgeschichte: Schon 2003 bestellte das Bundesfinanzministerium bei der Boston Consulting Group GmbH in Frankfurt am Main ein Gutachten mit dem Thema: „Optimale staatliche Rahmenbedingungen für einen Kreditrisikomarkt/Verbriefungsmarkt für Kreditforderungen und -risiken in Deutschland“. Das Gutachten vom 30. Januar 2004 stellt fest, der deutsche Verbriefungsmarkt zeige „Nachholbedarf“. Das Wachstum könne durch die bereits im Verbriefungsmarkt aktiven Banken und auch durch öffentlich-rechtliche Institute vorangetrieben werden. Es zeigt Wege auf, wie diese Zielsetzungen erreicht werden können. Ob Geschäfte dieser Art überhaupt zu verantworten sind, wird leider nicht hinterfragt. Die Gutachter empfehlen sogar die Verbriefung öffentlicher Forderungen wie beispielsweise BAföG-Darlehen.

Dieses Gutachten ist später Grundlage der „Finanzmarktpolitik“ geworden. Im Mai 2005 wandte sich die CDU/CSU-Fraktion in einer BT-Drucksache 15/5496 an die Regierung Schröder und forderte sie zur Beseitigung von Hemmnissen für „True Sale“-Verbriefungen sowie zur gewerbesteuerlichen Freistellung von „Zweckgesellschaften“ auf. Im Jahre 2004 gründeten Banken eine „True Sale International GmbH (TSI)“, die Bundesregierung war durch Ministerialdirektor Jörg Asmussen im Gesellschafterbeirat vertreten. Ausgerechnet die genannte Bankzeitschrift diente der Regierung weiterhin als Plattform für die Darstellung ihrer Politik zugunsten der Banken (JF 19/09).

Diese Fakten beweisen, daß die Bundesregierung mit allen Kräften darauf hingearbeitet hat, auf breiter Front – auch im öffentlich-rechtlichen Sektor – diejenigen Geschäfte zu fördern, welche die Krise ausgelöst und Deutschland wie nach einem verlorenen Krieg finanziell ruiniert haben. Noch nie hat eine Bundesregierung einen solchen Schaden angerichtet, die Täter aber spielen sich jetzt als Retter auf. SPD-Chef Franz Müntefering soll einmal konkret erläutern, wen er gemeint hat, als er die Verursacher der Krise „Zocker, Brandstifter und Gangster“ genannt hat.

Als im Juli 2007 die IKB wegen solcher Geschäfte vor der Insolvenz stand (JF 36/07), versuchten die Verantwortlichen, alle Schuld allein dem Vorstand der IKB anzulasten. Die dahinterstehende „Finanzmarktpolitik“ der Regierung wurde vertuscht. Dieser Versuch ist spätestens gescheitert, seit die Staatsanwaltschaft Düsseldorf erklärt hat, Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder der IKB würden wegen der Geschäfte, welche die Bank ruiniert hatten, nicht angeklagt. Das kann nur damit zusammenhängen, daß diese Gesellschaftsorgane genau das getan haben, was Gegenstand der „Finanzmarktpolitik“ des Bundes, der auch als Konzernherr (über die KfW) bei der IKB das Sagen hatte, gewesen ist.

Dieser war der eigentliche Motor des für Deutschland katastrophalen Geschehens. Der Bundestag war ausgeschaltet: Das Haushaltsrecht des Parlaments ist Makulatur, wenn die Bundesregierung ohne seine Mitwirkung autonom über eine von ihr erfundene „Finanzmarktpolitik“ Schäden verursacht, die jeden Haushalt sprengen. Auch die Bundesbank wurde beiseite geschoben, obwohl diese Verbriefungen in einem Ausmaß „Geldschöpfung“ darstellen, welches die Währungskontrolle der Bundesbank gefährdete.

Es bleiben abschließend drei Fragen: Warum gibt es keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der die gescheiterte Finanzmarktpolitik der Bundesregierung untersucht? Welche Kräfte haben Politiker dazu gebracht, sich mit solchen Spezialfragen des Bankgeschäfts zu befassen? Was wird aus dem demokratischen Staat, wenn Täter mit solchen Fehlleistungen die Stirn haben, sich im September zur Wiederwahl zu stellen?

Foto: „Klarer Kurs? Wohl eher ein weiteres Klabautermann-Märchen. Da hilft nur eins: Rette sich, wer kann.“

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