© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

Die Immobilienblase ist geplatzt
Spanien: Die Weltwirtschaftskrise hat das Land voll erfaßt / Auch Zukunftsangst und Arbeitslosigkeit ziehen den Wohnungsmarkt in den Keller
Michael Ludwig

Wer derzeit durch Barcelona oder Madrid flaniert, trifft sicherlich auf einen großen Wohnblock mit dem Transparent: Venta de pisos a medida. Precios actualizados. Es stehen Wohnungen zum Verkauf, die Preise sind der aktuellen Situation „angepaßt“ – sprich: sie sind regelrecht abgestürzt. Der Wohnungsmarkt ist im freien Fall. Wer auf der Ibererischen Halbinsel nach einer Ferienwohnung sucht, kann Preisnachlässe von bis zu 55 Prozent erwarten.

Ursache für den ruinösen Wettbewerb zwischen Bauträgern und Banken ist das Platzen der großen Immobilienblase, die von der spanischen Wirtschaft angesichts der Euro-Einführung aufgeblasen wurde. Zwischen 2000 und 2004 entstanden in den Großstädten und an den Küsten fast 1,2 Millionen neue Wohnungen. Es gab Jahre, in denen in Spanien mehr gebaut wurde als in allen anderen EU-Ländern zusammen. Dies führte oftmals nicht nur zu einer Verschandelung der Städte, Strände und Buchten, sondern auch zu einem Überangebot, dessen Verramschung nun ansteht. Hinzu kommt die Weltwirtschaftskrise, die den Wunsch vieler Familien nach eigenen vier Wänden als unerfüllbar erscheinen läßt.

Am schlimmsten hat es das traditionell arme Andalusien und die Provinz Valencia am Mittelmeer getroffen. Hier wird Wohneigentum mit einem Preisnachlaß von bis zu 60 Prozent offeriert. Aber auch in den großen Städten werden Wohnungen wie saures Bier angeboten. Am stabilsten zeigt sich die Lage noch in Madrid, wo die Preise nur um 30 Prozent gesunken sind, in Barcelona sind sie es bis zu 40 Prozent. Hinzu kommen zahlreiche Lockangebote. So müssen Käufer im ersten Jahr keinen einzigen Euro zahlen, erst dann treten Zinszahlungen und Tilgung in Kraft.

Unter den Immobilienanbietern hat der Wettlauf um potentielle Kunden zu einem gnadenlosen Preiskrieg geführt. Da die Banken gegenüber den Agenturen und Bauträgern am längeren Hebel sitzen, können sie flexibler auf die Kundenwünsche eingehen und so den Wettbewerb oftmals für sich entscheiden. Kein Wunder also, daß die Schutzvereinigung der Immobilienhändler die Geldinstitute wegen „unredlichen Konkurrenzverhaltens“ kritisiert hat.

Teilweise noch schlimmer sieht es bei den Gewerbeimmobilien aus. In der katalanischen Metropole Barcelona sind gegenwärtig über fünf Millionen Quadratmeter als Bürofläche ausgewiesen – 390.000 davon stehen leer. Im ersten Quartal diesen Jahres wurden lediglich 30.000 Quadratmeter neu vermietet, 68 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Und bis 2011 sollen weitere 700.000 Quadratmeter bezugsfertig werden (JF 21/09).

Viele Bauträger ziehen daher die Notbremse. Oft sind dort nur noch zwei oder drei Arbeiter auf den Baustellen anzutreffen, wo 2008 noch zehnmal soviel tätig waren. „Kräne, die sich nicht bewegen, und andere, die gerade abgebaut werden, Baustellen als Brachland, Wohnblöcke als verlassene Skelette, Bauzäune, die Bürgersteige unpassierbar machen – kurzum: eine Anhäufung von Schweinereien“, schimpfte El País.

Die Bürger fordern inzwischen die Stadtverwaltung dazu auf, zumindest dafür Sorge zu tragen, daß die Bürgersteige wieder zugänglich werden und so die Sicherheit der Kinder und älteren Bürger verbessert wird. Wirklich nachhaltig wird sich die Situation jedoch erst dann ändern, wenn die Bauwirtschaft wieder Tritt gefaßt hat. Doch Experten befürchten, daß Spaniens Ökonomie die Talsohle noch nicht erreicht hat. Pessimisten prognostizieren sogar, daß die Arbeitslosigkeit von derzeit vier auf fünf Millionen steigen könnte.

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