© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/09 14. August 2009
Lauter Ernstfälle Kein Krieg! Das ist in diesen Tagen die immer gleiche Botschaft von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), wenn die Rede auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan kommt. Spätestens seit dem Tod dreier Bundeswehrsoldaten, die in einem Feuergefecht fielen, und seit der Beteiligung der Bundeswehr an einer gerade zu Ende gegangenen Militäroffensive, bei der auch Schützenpanzer und schwere Waffen eingesetzt wurden, steht Jung mit seiner Sicht zunehmend allein da. Wo Soldaten schießen und beschossen werden, da herrscht nach allgemeiner Auffassung Krieg, und zwar auch, wenn derartige Feuergefechte als Friedenseinsatz kommuniziert werden. Jung hat völkerrechtliche Gründe, warum er nicht vom Krieg sprechen mag: Wäre es nämlich ein Krieg, müßte den Taliban der Kombattantenstatus zugestanden werden; ihre Aktivitäten wären legitime Kampfhandlungen. Etwas deutlicher ist da schon der oberste Soldat der deutschen Streitkräfte, Wolfgang Schneiderhan: Er erklärte, man stecke in einer asymmetrischen Auseinandersetzung und wolle Abschreckungseffekte setzen. Nun dürfte auch Schneiderhan bewußt sein, daß eine asymmetrische Auseinandersetzung sehr wohl die Kennzeichen eines Krieges tragen kann, wenn auch einer Form von Krieg, die wenig mit dem zu tun hat, was in Europa bis zum Ende des Ost-West-Antagonismus unter Krieg verstanden wurde. Nicht zuletzt durch die Arbeiten des Berliner Politologen Herfried Münkler werden diese Kriege häufig als neue Kriege bezeichnet, worunter er Ressourcenkriege, Pazifizierungskriege und terroristisch motivierte Verwüstungskriege subsumiert. Die beiden ersteren Kriegstypen, hier wären der Krieg gegen den Irak (2003) oder der Kosovokrieg (1999) zu nennen, können auch als Weltordnungskriege betrachtet werden, die der Absicherung von Großräumen dienen. Diese Kriege dürften aber aufgrund ihrer exorbitanten Kosten in Zukunft wohl selbst von den USA nur noch in Ausnahmefällen (Militärschlag gegen das Atomprogramm des Iran?) geführt werden. Gleiches gilt wohl auch für Regional- oder Großmächte wie Indien, China oder Rußland. Im Vergleich mit früheren Kriegen fällt heute folgendes in Auge: Anstelle regulärer Armeen treten immer häufiger Akteure auf, die von Interventionskräften mit dem Mandat internationaler Organisationen, Terroristen über private Militärfirmen wie Blackwater Security Consulting bis hin zu Warlords mit ihren Privatarmeen reichen. Exemplarisch hierfür stehen die Kriege in Afrika, die in der Regel von wahllos rekrutierten Kriegern einschließlich der berüchtigten Kindersoldaten geführt werden. Kriege dieser Art haben, darin sind sich die Experten einig, die Schwelle für kriegführungsfähige Parteien deutlich gesenkt mit erheblichen Konsequenzen für die betroffenen Staaten: Privatarmeen unterlaufen nicht nur das staatliche Gewaltmonopol und beschleunigen damit den Staatszerfall, sondern befördern überdies Korruption und organisierte Kriminalität. Die Folge: Auf der Weltkarte entstehen immer mehr unkontrollierte Räume. Von der asymmetrischen Kampfweise der Warlords oder Terroristen direkt betroffen ist die Zivilbevölkerung, die bewußt in die Auseinandersetzungen verwickelt wird, sei es als Ziel von Anschlägen, sei es für logistische Zwecke. Damit fällt eine weitere Errungenschaft des Kriegsvölkerrechtes, nämlich die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten. Aber nicht nur hier verschwimmen die Abgrenzungen: Die Entsendung multinationaler Streitkräfte, die den Auftrag haben, ein bestimmtes Gebiet zu pazifizieren, führt zu einer Erodierung des Unterschieds zwischen Krieg und Polizeiaktion, zwischen Polizei und Armee in Krisenregionen: Auf der einen Seite soll die Polizei die innere Sicherheit zunehmend mit militärischen Mitteln garantieren, auf der anderen Seite führen die Streitkräfte Kriege, die international als Polizeieinsätze moderiert werden. Insbesondere die USA lassen sich überdies von privaten Söldner-armeen unterstützen, die nach dem Völkerrecht zwar als illegale Kombattanten einzustufen sind, aufgrund ihrer schnellen Entsendefähigkeit für eine interventionistische Supermacht wie die USA aber zunehmend unverzichtbar werden. Gerade deren globale Interventionen lassen erwarten, daß die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus noch lange auf der politischen Agenda des Westens bleiben wird. In Zukunft muß, um es mit Carl Schmitt zu sagen, ein Antiterrorkampf als permanenter Ausnahmezustand auf globaler Ebene befürchtet werden. Mit anderen Worten: Womöglich herrscht weder richtig Frieden noch Krieg. Erschwerend kommt ein weitgehendes Unverständnis für die Ziele hinzu, für die Terroristen kämpfen im Fall der Taliban: die Wiedererrichtung eines islamischen Gottesstaates. Diese Ziele erscheinen im Westen nicht nachvollziehbar, und erst recht stößt der Todesmut dieser Verbrecher (Jung) auf Irritation. Hier zeigt sich nach Münkler auch ein Manko politischer Selbstbehauptung des Westens: Moderne und zudem geburtenschwache Staaten seien postheroische Gesellschaften, denen das Heroisierungspotential junger Gesellschaften gegenübersteht, das sich auf Erlösungsreligionen oder Nationalismus gründe. Nicht selten siegten in derartigen Konflikten Terroristen oder Aufständische trotz des Einsatzes modernster Waffentechnik auf der Gegenseite. Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld sieht nur zwei erfolgversprechende Wege: das gezielte, kalt ausgeführte Massaker, wie es das Assad-Regime in Hama gegen die Muslim-Brüder verübte, oder den Verzicht auf schwere Waffen und einen langen Atem, wie es die Briten in Nordirland praktizierten. Beide Wege stehen in Afghanistan nicht (mehr) offen, so daß das eintreten könnte, wovor Creveld nachhaltig warnt: ein Abnutzungskrieg, der die willigsten Soldaten zermürbt. Für zukünftige Konflikte wäre das ein Menetekel. Foto: Schwerbewaffneter US-amerikanischer Elitesoldat in Afghanistan, Taliban-Kämpfer im Visier: Asymmetrische Kriegführung und globale Interventionen |