© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/09 14. August 2009

Frisch gepresst

Entwicklungshilfe. „Verantwortlich für das Elend des afrikanischen Kontinents ist nicht mehr die Sklaverei oder achtzig Jahre Kolonialismus“, „Entwicklungshilfe muß komplett abgeschafft werden“: Sätze wie diese dürften vielen Gutmeinenden hierzulande als misanthropische Provokationen gelten. Doch Volker Seitz, der im diplomatischen Dienst seit 17 Jahren in Afrika unterwegs ist, zuletzt als Botschafter in Kamerun, urteilt aus intimer Kenntnis des Kontinents. Das „Business der Barmherzigkeit“ wirke kontraproduktiv, stärke nur die Kontrolle mächtiger Clans über das ohnehin schon unterdrückte Volk, lähme Engagement und zerstöre sogar zarte Strukturen eigenständigen Wirtschaftens. Daß Seitz’ Analyse nicht fundamental danebenliegt, beweisen vielleicht auch seine Fürsprecher: der Publizist James Shikwati, kenianischer Gründer einer dortigen Wirtschaftsförderungsgesellschaft, oder der afrikakundige Rupert Neudeck. Punkt für Punkt nennt Seitz Fehlentwicklungen – die gigantische Korruption, die völlig unkoordinierte „Entwicklungshilfe“ oder die Bildungsmisere –, ohne hilfreiche Ansätze zu verschweigen, sei es die in Afrika besonders wichtige Frauenförderung, die Vergabe von Kleinkrediten oder die Förderung autarker Landwirtschaft (Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009, broschiert, 219 Seiten, 14,90 Euro).

 

Hans Koschnick. Der Journalist Rupert Neudeck, langjähriges Aushängeschild der Hilfsorganisation „Cap Anamur“, hat in Form eines längeren Interviews die Biographie des prominenten Bremer Bürgermeisters Hans Koschnik nachgezeichnet, der im April dieses Jahres siebzig Jahre alt geworden ist. Der Hanseat mit der markanten Hornbrille gehört als politischer Weggefährte Willy Brandts ohne Zweifel zu den prägenden Gestalten der deutschen Nachkriegs-Sozialdemokratie. Nach seiner eigentlichen politischen Karriere erregte Kosch­nik vor allem als Administrator der Europäischen Gemeinschaft in der zwischen Bosniaken und Kroaten geteilten Stadt Mostar Anfang der neunziger Jahre Aufsehen – vor allem, als er 1996 in seinem Dienstwagen von einem wütenden Mob attackiert worden war. Daß Kosch­nicks private und politische Vita nicht sachlich-distanziert, sondern mit der Empathie eines bekennenden Freundes des Porträtierten geschrieben wurde, tut der Lesbarkeit ebensowenig Abbruch wie die Einseitigkeit, mit der die Konfliktparteien im Bosnienkrieg hier bewertet werden. Ärgerlich ist allerdings das mangelhafte Lektorat, dem so manche Stilblüte und sprachliche Unebenheit durchgerutscht ist (Weder tollkühn noch ängstlich. Hans Koschnick im Gespräch mit Rupert Neudeck. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2009, broschiert, 217 Seiten, Abbildungen, 16,80 Euro).

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