© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/09 21. August 2009

UMWELT
Chinesische Energievisionen
Michael Howanietz

Zwischen 1998 und 2007 hat sich der CO2-Ausstoß der EU um 125 Millionen Tonnen verringert. Im selben Zeitraum ist jener Chinas um 2.860 Millionen Tonnen angewachsen. Dem Reich der Mitte deshalb energiepolitische Kurzsichtigkeit zu unterstellen, wäre aber grundfalsch. Die Errichtung Hunderter neuer Kohlekraftwerke ist fraglos nur beschränkt zukunftsweisend, wenngleich die globalen Kohle-Ressourcen sehr viel länger vorhalten werden, als es bei Erdöl, Erdgas oder Uran der Fall ist. Pekings Energiepolitik zeigt aber auch ein zweites Gesicht. Im Bereich Windkraft lautet das Ziel ein Plus von zehn Milliarden Kilowatt (kW) im Jahr 2015 und 30 Milliarden kW zum Jahr 2020. Offensiv sind auch die Biomassepläne. Zu den 13 in Betrieb und sechs in Bau befindlichen sollen bis 2020 weitere 30 Strohkraftwerke hinzukommen. Bei der Produktion von Sonnenkollektoren ist China bereits Weltmarktführer, bei Photovoltaik-Komponenten auf der Überholspur.

Finanziert werden Nutzungs- wie Exportprojekte im Bereich erneuerbare Energien aus jenen Einnahmen, die China der CO2-Zertifikatehandel beschert. Während viele EU-Staaten ihre im Zuge des Kyoto-Protokolls freiwillig eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen verfehlen und daher „Verschmutzungsrechte“ ankaufen müssen, hat sich China zu nichts verpflichtet. Mit den Zertifikateprofiten macht sich Peking zugleich von teuren Energieimporten unabhängiger. Europa indes gerät mit Milliardenverlusten immer tiefer in die Abhängigkeit unsicherer werdender fossil-atomarer Importe aus Drittstaaten. Ist also der propagierte EU-Idealismus, das Weltklima zu „schützen“, nichts anderes als eine gigantische Geldumverteilungsaktion?

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