© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/09 21. August 2009

Leserbriefe

Zu: „Süßes Nichtstun, sauer verdient“ von Harald Harzheim, JF 30/09

Jede Stunde sinnvoll verbringen

Die Gedanken des Autors zum Beginn der Urlaubszeit haben Tiefgang, kranken aber daran, daß er nur die Alternativen Hamsterrad Arbeit und Nichtstun kennt. In den Sklavenhaltergesellschaften der Antike mußte die Oberschicht nicht „arbeiten“, dennoch kannte sie den Unterschied zwischen negotium und otium. In der Mußezeit lag man aber nicht auf der faulen Haut, sondern widmete sich dem, was man heute als Hobby bezeichnet.

Da bei Harzheim diese Variante fehlt, ist auch sein Mitgefühl mit den Arbeitslosen tendenziell genauso schädlich wie der Neid „zahlreicher Mittelständler und Großverdiener“ gegenüber Arbeitslosen. Ich lebe seit fünf Jahren von ALG II, was mir ermöglichte, das Humboldtsche Bildungsideal zumindest für mich persönlich umzusetzen. Die Kleingeister von Fallmanagern glauben jedoch, ihren Klienten etwas Gutes zu tun, wenn sie ihnen Kehrarbeiten oder ähnliches aufdrücken. Als Arbeitsloser hat man das Leben in Rein­form, und viele können das nur im Suff ertragen. Hat man die generelle Sinnlosigkeit allen Strebens aber erst einmal akzeptiert, kann man jede kostbare Stunde seines Lebens so sinnvoll wie möglich verbringen und kommt gar nicht mehr auf den Gedanken, Zeit „totschlagen“ zu müssen.

Hans-Christof Tuchen, Berlin

 

 

Zu: „Der lange Abschied von der Wehrpflicht“ von Paul Rosen, JF 34/09

Wenn, dann auch für Frauen

Nach meiner Ansicht ist die Abschaffung der Wehrpflicht ein logischer Schritt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß nur noch ein sehr geringer Anteil der jungen Männer eingezogen wird, was ein im höchsten Grade ungerechter Zustand ist. Falls man an der Wehrpflicht festhalten sollte, wäre es ein Akt der Geschlechtergleichstellung, diese auch für Frauen einzuführen.

Dominik Graim, Karlsruhe

 

Auf ausländischem Übungsplatz

Nachdem der Bundeswehr das Training auf Truppenübungsplätzen im eigenen Land durch mannigfache Bürgerinitiativen unmöglich gemacht wird, eine Armee aber nur so gut ist wie ihr Ausbildungsstand, sah man sich doch gewissermaßen gezwungen, ausländische Übungsplätze zu benutzen. Außerdem ist es doch viel realitätsnaher, direkt am Feind, also am Taliban-Kämpfer, zu üben, als am maskierten, nur durch eine rote Armbinde erkennbaren „Feind“ sein Handwerk zu vervollständigen.

Axel Gojowy, Dresden

 

 

Zu: „Leere Versprechungen“ von Paul Rosen, JF 33/09

Um 18,75 Prozent erhöht

Paul Rosen bringt in seinem Kommentar die Lage in Deutschland sehr gut auf den Punkt. Allerdings unterläuft ihm ein Fehler, wenn er auf die um sich greifende Desinformation bezüglich der Erhöhung der Mehrwertsteuer hereinfällt. So betont der Autor die „dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung“, obwohl in den Wahlaussagen von Rot und Schwarz anderes zu vernehmen war.

Ich möchte den Autor hier dezent darauf hinweisen, daß es sich um eine Mehrwertsteuererhöhung in Höhe von drei Prozentpunkten handelt, welches einer faktischen Erhöhung um sage und schreibe 18,75 Prozent entspricht. Allerdings wird dieser Fakt auch immer wieder – und ich behaupte: bewußt – von unseren Politikern durch das Vertauschen der beiden Wörter „Prozentpunkte“ und „Prozente“ vernebelt. Man sieht, daß diese Desinformationspolitik ihre Wirkung sogar schon bei den kritischen Menschen zeigt, welche mit offenen Augen durch die Welt gehen.

Karl Halbritter, Saaldorf-Surheim

 

 

Zu: „Ohne Geld keine Leistung“ von Jens Jessen, JF 33/09

Staatsumbau für Ausbeutung

Als niedergelassener Arzt erlebe ich seit Jahren täglich, wie hinter den Kulissen unser Staat (hier konkret auch unser Gesundheitssystem) umgebaut und vor den Kulissen auf der Bühne Demokratie gespielt wird. Dieser Umbau ganz im Sinne einer übernational agierenden Kapitallandschaft dient einer völlig neuen Form der Herrschaft über Menschen, der totalen Vermarktung und damit Ausbeutung all ihrer Bedürfnisse; der Sklave der Zukunft trägt keine Ketten mehr, er ist ein rundum „versorgter“ Konsumkrüppel. Sich dieser Entwicklung in den Weg zu stellen, erfordert Mut einer neuen Art und ist meines Erachtens durch ausschließliche Anwendung demokratischer Spielregeln nicht zu meistern.

Rolf Zims, Schrobenhausen

 

Zwanzig Kassen schon zuviel

Die bürokratisierende Konzentration der Krankenkassenlandschaft, die einer regionalisierenden Dezentralisierung entgegensteht, wird von Jessen zu Recht beanstandet, doch scheint er letztere in der Vielfalt nebeneinander existierender Kassen dieser „Landschaft“ realisiert zu sehen – was aber keinesfalls zweihundert unterschiedliche Kassen samt aufwendigen Verwaltungsapparaten erfordert. Mit zwanzig Kassen hätten wir bereits zu viele.

Ungescholten bleibt die um goldene Nasen wetteifernde Pharmaindustrie. Sie ist vielleicht in der Tat jener Wirtschaftszweig, der die meisten Gelder (mit oft zweifelhaftem Erfolg) in Forschung und Entwicklung investieren muß, das Gesundheitswesen aber immer noch unzulässig schröpft. Selbst die Hersteller von Generika verdienen bestens – obzwar sie mit den von ihnen angebotenen Produkten der pharmazeutischen Entwicklung ganze zwanzig Jahre (vom Patentrecht zugestandene Schutzdauer) hinterherlaufen.

Hans-Gert Kessler, München

 

 

Zu: „Stillschweigendes Einvernehmen“ von Karlheinz Weißmann, JF 33/09

Kennedy war kein Berliner

Der an der Politik interessierte Zeitgenosse ahnte damals schon, daß es sich um ein abgekartetes Spiel handelte und daß die westlichen Verbündeten für Deutschland nicht bereit waren, ein kriegerisches Risiko einzugehen. „Es traf die Bonner wie ein Schock, daß die westliche Großmacht, einem Komplizen gleich, vorab von den Russen über die Baupläne eingeweiht war“, schrieb der Spiegel schon vor 30 Jahren.

Und was den uneingeweihten Zeitgenossen stutzig machen mußte, war das Verhalten unserer Verbündeten am Tag des Mauerbaus: Präsident Kennedy unterbrach seinen Segelurlaub für ein paar Stunden und stach sogleich wieder in See, der britische Premierminister Harold Macmillan war auf der Jagd in Schottland und zeigte keinerlei Reaktion, und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle hüllte sich auf seinem Landsitz Colombey-les-deux-Eglises in Schweigen. Und Kennedys heute noch oft zitierter Ausspruch „Ich bin ein Berliner“ war glatter Hohn.

Bernhard Kaiser, Halle/Westfalen

 

 

Zu: „Seelische Heizung“ von Harald Harzheim, JF 33/09

Verwirrung durch Fernsehen

„Stifte Verwirrung unter denen, die du beherrschen willst!“ ist üble Machenschaft unseriöser Regierungen seit Menschengedenken. Das zu erfassen und zu einer geordneten gemeinsamen Erhebung gegen den organisierten Diebstahl von Denkkapazität vorzugehen, verhindert nicht zuletzt das Fernsehen – in der Masse überflüssige, wertlose Informationen.

Wolfgang Hüttner, Baden-Baden

 

 

Zum Leserbrief „Apartes Geschichtsverständnis“ von Freiherr von Thüna, JF 31-32/09, und „Tendenziös und nicht zu retten“ von Thorsten Hinz, JF 29/09

Jedes Opfer ist eines zuviel

Der Leserbrief von Freiherr von Thüna kann so nicht hingenommen werden. Er kritisiert den ausgezeichneten Artikel von Thorsten Hinz zu Unrecht. Die Wahrheit ist, daß Polen zwischen 1918 und 1939 seine Minderheiten (Deutsche, Juden, Ukrainer) sehr schlecht behandelt hat. Die deutsche Minderheit in Polen nahm stark ab, allein Anfang 1939 flohen etwa 100.000 Deutsche nach Deutschland und Danzig. Viele Juden wanderten aufgrund der antisemitischen Stimmung aus Polen aus.

Polen hatte Ende August 1939 mobilisiert und wollte mit seinen Streitkräften nach Berlin durchmarschieren. Nur weil die deutsche Reichsregierung dummerweise diesen Einmarsch nicht abgewartet hatte, wurde sie als Angreifer gebrandmarkt. Die Vertreibung ist nicht „verständlich“ und kann nicht aufgrund der Verbrechen Hitlers gerechtfertigt werden. Jedes Opfer ist zuviel. Aber nur die Opfer Polens zu erwähnen, entspricht nicht den wirklichen Tatsachen.

Bernhard Gübitz, Velden, Österreich

 

Keine Stille vor dem Schuß

Der israelische Botschafter in Deutschland hat anläßlich eines Grundsatzinterviews über militärische Auseinandersetzungen einmal sinngemäß gesagt, wichtig sei nicht, wer den ersten Schuß abgegeben hat, sondern was vor dem ersten Schuß geschah. Da muß man wohl dem Freiherrn mit seinen eindimensionalen Geschichtskenntnissen und der bequemen Totschlagparole einer „verständlichen Vertreibung“ mit dem lateinischen Rechtsgrundsatz audiatur et altera pars auf die Sprünge helfen: Das Schlüsselereignis der letzten 100 Jahre deutsch-polnischer Geschichte, der Zweite Weltkrieg, ist überhaupt nicht ohne das Geschehen vor dem ersten Schuß denkbar.

Hardo Obergefell, Duisburg

 

Ausstellung unbedingt ansehen

Die geschichtsklitternde Ausstellung „Deutsche und Polen“ im Deutschen Historischen Museum für Geschichte ist von Thorsten Hinz sachlich gewürdigt worden.

Man sollte sich dazu im Internet das Buch von Theodor Bierschenk „Die deutsche Volksgruppe in Polen 1934–1939“ von 1954 mit 300 Seiten ausdrucken. Das Buch zeigt, daß die polnischen Machthaber lange Zeit vor den Nationalsozialisten „Täter“ waren, bevor dann ihre verhetzte Bevölkerung Opfer wurde. 1954 waren im ostamputierten „Volkspolen“ von Moskaus Gnaden noch willfährige Kommunisten am Ruder, deshalb wagte man unter Professor Gotthold Rhode noch die Wahrheit zu veröffentlichen. Die verfälschende „Ostdenkschrift der EKD“ kam erst 1970.

Man sollte sich die offizielle Ausstellung in Berlin, auf den 1. September 1939 fixiert, unbedingt ansehen, um zu begreifen, welche gefährlichen Geschichtsverdrehungen den Deutschen zugemutet werden, die eine ehrliche, nötige Verständigung zwischen Polen und Deutschen verhindern.

Georg K. Schmelzle, Norden/Ostfriesland

 

 

Zu: „Sammelwut“ von Matthias Bäkermann, JF 31-32/09

Kindern das Geld stibitzt

Ein Blick in meinen Bücherschrank zeigt, daß es auch anders geht. Dort liegen zwei Sammelbilderheftchen zur Bundesligasaison 1980/81: eines von Panini, das andere von Bergmann.

Im „Kampf gegen Rechts“ werfen unsere Fußballoberen das Geld zum Fenster hinaus, nur um sich gegenseitig zu versichern, daß man zu den Guten und Anständigen gehört. Gleichzeitig versteigern sie die Rechte an den Sammelbilderalben, um den Kleinsten das Taschengeld zu stibitzen – was dann allerdings die Frage aufwirft, ob die Leute bei der Deutschen Fußball Liga wirklich so anständig sind.

Stephan Zankl, München

 

 

Zu: „Einfach unter den Nagel gerissen“ von Detlef Kühn, JF 30/09, und „Krieg war nur noch eine Frage der Zeit“ von Gerd Schultze-Rhonhof, JF 30/09

Die Tatsachen sprechen lassen

Die JUNGE FREIHEIT ist dafür zu loben, daß sie zu den Themen „Oder-Neiße-Grenze“ und „Kriegsausbruch 1939“ Autoren zu Wort kommen läßt, die statt politisch korrekter Verschleierungen und Verfälschungen einfach historische Tatsachen für sich sprechen lassen.

Der deutschen Bildungspolitik ist es ja inzwischen gelungen, der jüngeren Generation das historische Ostdeutschland im Nebel der Geschichte verschwinden zu lassen – Ostdeutschland beginnt nunmehr am Ostrand von Lübeck. Mit älteren Deutschen kann man natürlich darüber reden, aber regelmäßig endet ein solches Gespräch mit der geschichtspolitischen Erklärung, daß „wir ja an diesem Desaster selber schuld“ seien wegen des von Hitler ganz allein ausgelösten Weltkriegs.

Was dabei kaum einer in Betracht zieht, ist, daß heutzutage jeder Staatsdiener vom Bundespräsidenten bis zum letzten Dorfschullehrer verpflichtet ist, die alleinige deutsche Kriegsschuld ständig feststellen zu müssen – sozusagen von Amts wegen gemäß Artikel 7 Überleitungsvertrag von 1954, verlängert 1990. Demzufolge sind alle staatlichen Stellen in Deutschland verpflichtet, die „Urteile und Feststellungen des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses von 1945/46 weiterhin als rechtskräftig und verbindlich anzusehen“.

Vielleicht spielt bei diesen ständigen deutschen Schuldbekenntnissen auch ein wenig die Genetik eine Rolle. Immerhin hatte schon Napoleon 1818 in seinem Testament über den deutschen Nationalcharakter erklärt, er habe noch nie ein politisch naiveres und gutgläubigeres Volk angetroffen als die Deutschen, die den Lügen der Sieger mehr glaubten als ihren eigenen Leuten.

Dr. Siegfried Pelz, Wyk auf Föhr

 

 

Zu: „Vive la tradition française“ von Georg Alois Oblinger, JF 30/09

Allons enfants de la patri-i-öh

Zum Accent circonflexe : Dieser hat durchaus einen hörbaren Einfluß auf die Aussprache der betroffenen Vokale, denn er ersetzt den im Altfranzösischen geläufigen, inzwischen weggefallenen Buchstaben „s“ vor einem „t“ (früher: estre = être, hostel = hôtel, paste = pâte, vostre = vôtre, coste = côte usw. – übrigens im Spanischen bzw. Italienischen heute noch vorhanden wie in pasta, costa, nostra, vuestra usw.) und dehnt somit die Aussprache deutlich: Cote (sprich „kott“) bedeutet „Notierung, (Börsen-)Kurs“. Côte (sprich „koht“) heißt „Küste“, aber auch „Rippe“. Ebenso würde pâte (sprich „paat“ = Teig, Nudel) ohne Accent circonflexe dann zu pate (sprich: „patt“ = Pfote), also Pfötchen weg vom Kuchen!

Ebenso zum stummen „e“ am Ende eines Wortes: Im Gesprochenen hört man es nicht (deshalb auch „stumm“), aber im Gesungenen sehr wohl, ja man muß es sogar unbedingt hören, denn es zählt als vollwertige, mit zu skandierende Silbe und wird wie ein langes deutsches „ö“ ausgesprochen (vergleiche die „Marseillaise“: „Allons enfants de la patri-i-öh ...“).

Jean-Pierre Sentenbien, Köln

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen