© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/09 28. August 2009

„Feuerwehrjob mit extremer Belastung“
HSH Nordbank: Milliarden-Verluste und Millionen-Boni offenbaren die Ahnungslosigkeit der Politik
Jochen Arp

Ein Stück aus dem Tollhaus“ oder „Brandstifter als Feuerwehrleute“, lauteten die Vorwürfe, als bekanntwurde, daß bei der HSH Nordbank ehemalige Manager der notverkauften Sächsischen Landesbank als Sanierungsberater tätig werden sollen. Die Sachsen Asset Management (SAM) habe „Erfahrung aus der Beratung des Freistaats Sachsen“, entgegnete der schwarz-grüne Hamburger Senat auf eine Linken-Anfrage. Das Controlling der Milliarden-Garantie erfordere „besondere Fachkunde“, die vom HSH Finanzfonds „selbst nicht vorgehalten werden kann“. Wie konnte es soweit kommen?

Die deutschen Landesbanken wurden gegründet, um vor allem dem Mittelstand hilfreich zur Seite zu stehen. In Schleswig-Holstein kam die Finanzierung des Schiffbaus hinzu. In den vergangenen Jahren beteiligte sich die 2003 aus der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein gebildete HSH Nordbank dann munter an globalen Spekulationsgeschäften – einige Zeit ging das gut. Von den Gewinnen konnten sie beträchtliche Summen in die Länderhaushalte leiten. Die Politiker in den Aufsichtsräten konnten sich im Ruhm ihrer Geld beschaffenden Institute sonnen und erfreuten sich an Aufwandsentschädigungen. Der Hamburger SV erhielt üppige Sponsorengelder.

Wie riskant dieses neue Geschäftsmodell war, konnte wohl kaum ein Politiker beurteilen. Der schleswig-holsteinische Ex-Finanzminister und jetzige SPD-Spitzenkandidat Ralf Stegner wirbt damit, er habe an der Harvard-Universität in den USA studiert. Doch sein Abschluß als Master of Public Administration der Kennedy School of Government hat ihn offenbar nicht in die Lage versetzt, rechtzeitig zu erkennen, ob bei den „Kreditersatzgeschäften eine angemessene Risikokontrolle“ stattgefunden hat. Sein Amtsnachfolger, Rainer Wigard (CDU), hat nach der Realschule Industriekaufmann gelernt und später bei der Deutschen Angestelltengewerkschaft bzw. Verdi den Bereich Finanzen und Revision geleitet. Aber war er als HSH-Vizeaufsichtsratschef wirklich kompetent?

Viele Politiker waren sichtlich erstaunt, als nach der Sachsen LB (JF 52/07) weitere Landesbanken zu wackeln begannen, doch weder in Hamburg noch in Kiel wurden Konsequenzen gezogen. Der erst im Juli 2008 ins Amt gekommene Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) – als langjähriger Vorstandschef der Norddeutschen Affinerie ein Mann aus der Praxis – versuchte vergeblich, Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) vor dem absehbaren Desaster zu warnen. Und so kam es, wie es kommen mußte: Die HSH Nordbank mußte im Oktober 2008 mitteilen, sie stehe kurz vor der Pleite – es sei denn, die beiden Länder (die über 80 Prozent der Anteile halten) schössen drei Milliarden Euro zu.

Haben die Landesbanken überhaupt noch eine Zukunft?

Hals über Kopf wurde das Verlangte auf Kosten des Steuerzahlers beschlossen. Außerdem stellten die Länder eine Bürgschaft von zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Marnette hatte hingegen dafür plädiert, die Landesbank ihrem selbstverschuldeten Schicksal zu überlassen, so wie es in der Markwirtschaft üblich sei. Da er nicht gehört wurde, trat der Wirtschaftsexperte, der schon mit seinem Kampf gegen das private Strompreis-Oligopol aus EnBW, Eon, RWE und Vattenfall für Furore sorgte, im März dieses Jahres zurück.

Die beiden Landesregierungen suchten indes Hilfe bei einem Finanzprofi. An der Spitze der HSH Nordbank steht seit Herbst 2008 Jens Dirk Nonnenmacher, seit 2007 bereits Mitglied des Vorstands. Der Mathematikprofessor kam 1998 zur Dresdner Bank. Ab 2004 leitete er das strategische, Risiko- und Financial Controlling der DZ Bank. Als die norddeutschen Landespolitiker Nonnenmacher fragten, ob er Chief Executive Officer (CEO) der HSH Nordbank werden wolle und zugleich als Chief Financial Officer und Chief Risk Officer (CFO/CRO) tätig sein wolle, erklärte der Umworbene, dies sei „ein Feuerwehrjob mit extremer Belastung und unklarem Ausgang“.

In der FAZ erläuterte Nonnenmacher dann, wie es zu dem in der Boulevardpresse genüßlich ausgeschlachteten Bonus von 2,9 Millionen Euro gekommen sei, den er als Altersvorsorge darstellt: Man habe „für den Erfolgsfall sowie für meine Mehrfachbelastungen aufgrund des Ausscheidens von diversen Vorstandskollegen eine Restrukturierungsprämie vereinbart“. Der HSH-Aufsichtsrat habe dem zugestimmt. Damit zündete er eine politische Bombe. Die Erregung der Öffentlichkeit erreichte ihren Höhepunkt, als bekannt wurde, daß die Bank einerseits Mitarbeitern Abfindungen von bis zu 200.000 Euro zahlt, andererseits aber „Leistungsträgern“ Bleibeprämien bis zu 120.000 Euro zukommen läßt (die der Betriebsrat jetzt zu verhindern versucht). Daß eine Bank, die nur noch durch den Zufluß von Steuergeldern weiterexistiert, derart großzügig verfährt, findet ebensowenig Verständnis wie die Verpflichtung der SAM, die laut Presseberichten mit einem Budget von 250 Millionen Euro ausgestattet wurde.

Einen Verlust von 559 Millionen Euro mußte die HSH Nordbank im ersten Halbjahr 2009 verbuchen, darin enthalten 100 Millionen, die die Bank für die 10 Milliarden Euro Ausfallgarantie der Länder bezahlen muß. Nonnenmacher glaubt, daß er das Jahr mit etwa einer Milliarde Euro Verlust abschließen kann; weitere Staatshilfe werde man nicht benötigen. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gegen frühere HSH-Verantwortliche aufgenommen. Zwei Untersuchungsausschüsse in Kiel und Hamburg wollen die Hintergründe aufklären. Die Politiker erscheinen hilflos. Das wirft die Frage auf, ob Landesbanken dieses Zuschnitts überhaupt noch eine Zukunft haben.

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