© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/09 28. August 2009

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Verantwortung
Karl Heinzen

Die saarländische Opposition wirft der von der CDU gestellten Landesregierung vor, die anstehenden Wahlen gezielt manipulieren zu wollen. So sei der auf den Wahlzetteln zu lesende Hinweis, daß jeder Wähler eine Stimme habe, mit einem Pfeil versehen, der ins Ankreuzfeld der ersten Liste, der CDU, zeige. Dem unbedarften Bürger werde somit suggeriert, daß er diese eine Stimme, über die er verfüge, der Union geben müsse, wenn sein Votum nicht ungültig sein soll.

Darüber hinaus habe die Landesregierung, so ein weiterer Kritikpunkt, im Vorfeld der Wahl eine Imagekampagne betrieben, in der sie ihre Arbeit als erfolgreich darstellt. Einen entsprechenden Vorwurf richtet auch die thüringische Opposition an die gleichfalls von der CDU geführte Landesregierung in Erfurt. Sie habe die Bürger ausgerechnet kurz vor den Landtagswahlen mit einer Hauswurfsendung beliefern lassen, in der Thüringen als „toll“ dargestellt wird.

Sicherlich muß sich unsere etablierte Demokratie nicht schämen, wenn derartige Vorwürfe erhoben werden oder vielleicht sogar tatsächlich ein klein wenig Wahlmanipulation stattfindet. Man kann sogar sagen, daß sie sich auf diese Weise der internationalen Normalität annähert. Nicht nur in demokratischen Schwellenländern wie etwa Afghanistan, Moldawien oder Weißrußland sind derartige Phänomene gang und gäbe. Auch Musterdemokratien wie Italien, Spanien oder sogar den USA sind sie durchaus vertraut. Zudem darf mit Befriedigung festgehalten werden, daß jene, die Wahlmanipulationen beklagen, nicht die Demokratie an sich in Frage stellen, sondern vielmehr auf der gewissenhaften Einhaltung ihrer Verfahren beharren.

Dennoch ist Vorsicht geboten. Wahlen verfolgen vor allem den Zweck, staatliche Macht als Ausdruck des Volkswillens zu legitimieren. Dies kann nur dann gelingen, wenn die Bürger daran glauben, daß alles mit rechten Dingen zugeht. Dabei ist es weniger die Regierung, sondern die Opposition, die hier in der Verantwortung für das Ganze steht. Sicherlich ist es ärgerlich, wenn eine Wahl verloren wird und sich der erhoffte Machtwechsel nicht einstellt. Dafür darf der Unterlegene aber nur sich selbst, allenfalls die Wähler, aber niemals die Regierung verantwortlich machen, selbst wenn diese ihren Einfluß tatsächlich mißbräuchlich geltend gemacht haben sollte. Wer dieser Versuchung nicht widersteht, stößt in das Horn der Extremisten, die die Schuld für ihr Scheitern nicht in ihrer inakzeptablen Randständigkeit suchen, sondern in den Ränken der „Etablierten“.

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