© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/09 28. August 2009

Eine Serie von Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof / Teil 12 und Ende
Die Würfel sind gefallen
Nach dem Angriff des Deutschen Reiches auf Polen brachen die Westalliierten das Versprechen, ihrem Bündnispartner militärisch beizustehen

Es ist anzunehmen, daß die deutsch-polnische Allianz ab 1934 ohne die britische und französische Einflußnahme irgendwann im Jahre 1939 doch noch zu einer deutsch-polnischen Verständigung zu Danzig und der Korridorpassage geführt hätte. Hitlers Offerte vom Oktober 1938, die polnischen Gebietserwerbungen seit 1920 als Preis für eine exterritoriale Verkehrstrasse durch den Korridor und die Wiedervereinigung Danzigs mit dem Reich anzuerkennen, verbunden mit dem Vorschlag eines Friedens- und Freundschaftsvertrags für 25 Jahre, war ein adäquates Angebot. Auch Hitlers Zusatz vom Januar 1939: „Danzig kommt politisch zur deutschen Gemeinschaft und bleibt wirtschaftlich bei Polen“, war eine Brücke, über die Polen ohne Ansehens- und Substanzverlust hätte gehen können. Doch die Mächtigen der Welt entschieden anders.

London hat Polen für eigene Ziele gegen Deutschland mißbraucht

Am 1. September 1939 trat die deutsche Wehrmacht zu ihrem Angriff gegen Polen an. Am 3. September erklärten Großbritannien und Frankreich daraufhin den Krieg an Deutschland. Dann kam für Polen das Erwachen. Weder Paris noch London hielten ihre erst im Frühjahr 1939 gegebenen Hilfsversprechen. Der französische Oberbefehlshaber General Maurice-Gustave Gamelin hatte dem polnischen Kriegsminister General Tadeusz Kasprzycki noch im Mai schriftlich zugesagt, daß Frankreich an seinem 15. Mobilmachungstag mit 40 Divisionen zu einem Großangriff gegen das Deutsche Reich antreten werde. Doch an diesem Tage traten nicht die Franzosen von Westen her zum Angriff gegen Deutschland an, sondern die Sowjets von Osten her zu ihrem Angriff gegen Polen. Großbritannien und Frankreich hatten Polen trotz aller Versprechungen im Stich gelassen. Sie hatten Polen für ihre eigenen Ziele gegen Deutschland positioniert und dann mißbraucht.

Heute muß verwundern, daß Großbritannien und Frankreich nicht auch der Sowjetunion den Krieg erklärt haben, nachdem die Rote Armee am 17. September 1939 Polen angegriffen hatte. Dazu muß man wissen, daß sich der britische Schutzvertrag mit Polen von 1939 ausdrücklich nur auf eine Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Polen bezogen hatte, also auf den Fall, daß Deutschland seine 1920/21 unter Zwang an Polen abgetretenen und deutsch besiedelten Gebiete zurückerobern wollte. Die Londoner Regierung hatte wohlweislich keine Garantie für den Fall ausgesprochen, daß die Sowjetunion ihre 1921 ebenfalls unter Zwang abgetretenen, russisch und ukrainisch besiedelten Gebiete zurückerobern würde. Diese britische Haltung fand später ihre folgerichtige Fortsetzung, als Premierminister Winston Churchill am 16. Dezember 1944 erklärte: „Wenn Polen nicht freiwillig auf alle Gebiete östlich der Curzon-Linie verzichtet, wird Großbritannien sich hinter die russischen Forderungen stellen.“ Daß der Präsident der USA genauso dachte, hatte er schon ein Jahr zuvor geäußert, als er dieses Gebiet Stalin auf der Konferenz von Teheran im Dezember 1943 zugesprochen hatte. Gegenüber den polnischstämmigen Amerikanern hat Roosevelt dieses Zugeständnis bis Ende 1944 abgestritten.

Hitlers Angebot an die Alliierten blieb unbeantwortet

Zu Ende des Polen-Feldzugs reiste der deutsche Außenminister von Ribbentrop erneut nach Moskau, um über Polens Zukunft zu verhandeln. Hitlers Vorstellung und Ziel zu diesem Zeitpunkt war, das rein polnisch besiedelte Territorium zwischen Deutschlands Osten und Rußlands Westen als selbständiges Rumpfpolen etwa in der Größe des Kongreßpolen von 1815 wieder auferstehen zu lassen. Von Ribbentrop bot der Sowjetunion dazu das der deutschen Interessensphäre zugehörende Litauen im Tausch gegen die sowjetisch besetzten, polnisch besiedelten Gebiete östlich von Warschau an. So konnte Hitler den Westmächten die Gründung eines selbständigen Restpolen und den Rückzug der Wehrmacht von dort als Preis für einen Friedensschluß anbieten. Deutschland sollte bei dieser Neugestaltung Polens die Freie Stadt Danzig und den deutsch besiedelten Teil Westpreußens, die Sowjetunion ihre ehemaligen Gebiete in Weißrußland und in der Ukraine zurückbekommen. Hitler machte dieses Angebot am 6. Oktober 1939. Der Preis, den Hitler dafür nannte, war der Abschluß eines Friedensvertrags zwischen Frankreich, Großbritannien und dem Deutschen Reich. Es gab damals keine Antworten aus London und Paris. Nach 1945 überließen Frankreich, Großbritannien und die USA das von Deutschland befreite Polen der Fremdherrschaft der Sowjetunion.

Ende dieser JF-Serie

 

Gerd Schultze-Rhonhof 1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte, Der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg, 565 S., geb., EUR 34,– , Best.-Nr. 88084

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