© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/09 04. September 2009

Provokante Thesen
Forschung: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe untersucht Klimafragen
Wolfhard H. A. Schmid

Gilt seit zwei Jahren bei Aussagen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zum Thema Klimaveränderung nicht mehr die wissenschaftliche Unabhängigkeit im Geiste eines Alexander von Humboldt, sondern die „politische Korrektheit“? „Nein! Das erste ist natürlich richtig!“ antwortet Carsten Rühlemann, promovierter Geowissenschaftler und Sprecher zu Klimafragen bei der BGR in Hannover.

Die Anstalt ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, die 2007 in die Schlagzeilen geriet. Das Klimasystem erwärme sich nur regional, schrieb das Wirtschaftsministerium Ende 2006 in der Stellungnahme zum damaligen Bericht des Weltklimarates (IPCC). Gletscherschmelzen hätten sich wiederholt in ähnlicher Weise ohne industrielle Treibhausgase ereignet. Die Prozesse, die das globale Klima beeinflussen, seien bislang nur unvollkommen verstanden. Grundlage dieser für die meisten Umweltpolitiker provokanten Thesen waren klimarelevante Forschungsergebnisse des BGR-Geophysiker Georg Delisle, der damit den IPPC-Bericht (dessen Aussagen zu CO2-Emissionen für EU und Bundesregierung maßgebend sind) in Frage stellte. Delisle hatte in seiner Arbeit (Near-surface permafrost degradation: How severe during the 21st century?) ein Alternativmodell der physikalischen Prozesse in Permafrostgebieten präsentiert.

Zugleich hatte er das CCSM3-Klimamodell, das im IPCC-Bericht Verwendung fand, kritisch hinterfragt. Dies führte zum Vorwurf des Umweltministeriums, die BGR betreibe Forschung im Interesse der großen Energiekonzerne. Ob die Ernennung von Hans-Joachim Kümpel zum neuen Präsidenten der BGR und die Ablösung von Delisle als Koordinator der Arbeitsrichtung „Klimaentwicklung“ damit zusammenhängt, kann nur vermutet werden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen