© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/09 11. September 2009

Nur teilweise überzeugend
Wahlprogramm: Den Mittelstand stärken ist für die FDP „die beste Wirtschaftspolitik“ / Konkrete Steuerreform
Klaus Peter Krause

Sieben Jahre Rot-Grün und vier Jahre Große Koalition haben die FDP wieder zur drittstärksten Partei Deutschlands gemacht. Bei den vergangenen drei Landtagswahlen feierten die Liberalen Erfolge als bürgerliche Protestpartei (JF 37/09). In Thüringen gelang ihr eine Verdopplung des Wählerzuspruchs und nach 15 Jahren außerparlamentarischer Opposition der Wiedereinzug in den Landtag. Im Saarland wären die Liberalen bei einer rechnerisch möglichen Jamaika-Koalition zweitstärkste Kraft. In Sachsen landete die FDP mit zehn Prozent nur knapp hinter der SPD. Damit kann sie in einer Koalition mit der CDU erstmals in diesem Freistaat mitregieren.

Bei den Umfragen zur Bundestagswahl liegt die FDP stabil im zweistelligen Bereich klar vor Grünen und Linken. Eine schwarz-gelbe Koalition nach dem 27. September erscheint realistisch – wenn sie nicht wie 2005 erneut an der Schwäche der Unionsparteien scheitert. Das Bundestagswahlprogramm der FDP könnte hingegen überzeugender sein. Wohl zeigen die einleitenden allgemeinen Formulierungen der Präambel, wie die FDP sich versteht und gesehen werden will: für die Freiheit des Einzelnen, der Menschenwürde verpflichtet, für einen auf seine hoheitlichen Aufgaben beschränkten Staat, weniger staatliche Bevormundung, mehr Freiheit und Eigenverantwortung, Respekt vor den Bürgerrechten, für freies wirtschaftliches Handeln der Bürger.

Aber in ihren Absichten zu Veränderungen in den einzelnen Politikbereichen wird sie diesen Ansprüchen an sich selbst in der nötigen Geschlossenheit nicht gerecht. Teilweise konterkariert sie sie sogar. Das zeigt sich vor allem in ihren abenteuerlichen Vorstellungen in Sachen „Klimaschutzpolitik“ und in der deutlichen Lustlosigkeit, den Opfern politischer Verfolgung während der sowjetischen Besatzungszeit (1945 bis 1949) wirklich zu helfen. Ein großer Wurf ist das Programm insofern nicht.

Das gilt auch für die wirtschaftlichen Teile des Programms. Aber es enthält viele gute Ansätze und Bekenntnisse, die liberalen Geist atmen und die Richtung zu mehr Vernunft vorgeben. So ist für die FPD die beste Wirtschaftspolitik diejenige, „die den Mittelstand stärkt“. Hier befänden sich 71 Prozent der Arbeitsplätze und 83 Prozent der Ausbildungsplätze. Der Mittelstand warte auf Steuersenkungen und niedrigere Lohnzusatzkosten. „Die Mitte stärken“ ist ohnehin das Motto und der Kern des gesamten Programms.

Wie sehen die einzelnen Programmpunkte aus? Begrenzen will die FDP die Kosten der betrieblichen Mitbestimmung. Das vor allem für den Mittelstand komplizierte Kündigungsschutzgesetz müsse beschäftigungsfreundlicher werden. Vom Tarifvertrag seien Abweichungen zu ermöglichen. Der Staat müsse sich aus der Wirtschaft zurückziehen – angesichts der Notverstaatlichung von Pleite-Banken eine aktuelle Forderung. An die Stelle eines immer dichteren bürokratischen Regelungsnetzes sei ein verständlicher, flexibler Regelungsrahmen vorzusehen. Statt zusätzliche bürokratische Lasten wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, JF 35/08) zu schaffen, seien die bestehenden Lasten zu verringern. Zusätzliche Bürokratielasten müsse der Staat den Unternehmen vergüten. Der Normenkontrollrat sei zu einem wirklichen „Bürokratie-TÜV“ auszubauen. Ins Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sei die Möglichkeit einzufügen, Unternehmen zu entflechten.

„Die Fehler der Unternehmenssteuerreform 2008“ möchte die FDP beseitigen: die Zinsschranke, die eingeschränkte Verlustnutzung bei Übernahmen und Sanierungen, das Bestrafen von Investitionen im Ausland (Funktionsverlagerung) und das Hinzurechnen von Zinsen, Mieten, Pachten, Leasing- und Lizenzgebühren zur Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer. Die degressive AfA soll wieder eingeführt, die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter auf tausend Euro angehoben werden. Die Unternehmen will die FDP steuerlich nicht höher belastet sehen als mit der durchschnittlichen Besteuerung der entwickelten Industrieländer.

Eine gerechte Unternehmenssteuer müsse gegenüber Unternehmensentscheidungen zur Rechtsform, Finanzierung und Umstrukturierung neutral sein, für Unternehmen gleich welcher Rechtsform soll ein Zwei-Stufen-Tarif von zehn und 25 Prozent gelten, eine GmbH sich auf Antrag wie eine Personengesellschaft besteuern lassen können. Das schaffe vor allem für kleine und mittlere Familien-Kapitalgesellschaften mehr Rechtsformneutralität und mache die komplizierten Regelungen zur verdeckten Gewinnausschüttung überflüssig. Die Umsatzsteuer sei von der Soll- auf die Ist-Besteuerung umzustellen.

Es ist in der Tat fällig, daß Unternehmen diese Steuer erst dann abführen, wenn ihre Rechnungen wirklich bezahlt sind, zumal auch die Vorsteuer erst nach Bezahlen der Rechnungen in Anspruch genommen werden kann. Querschüsse wie die des schleswig-holsteinischen FDP-Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki, der vorige Woche eine Belastungsverlagerung von der Einkommensteuer hin zur Mehrwertsteuer in die Diskussion gebracht hatte, lassen aber Zweifel an den ehrgeizigen Steuersenkungsplänen der Liberalen aufkommen.

Für die Einkommensteuer ist bei der FDP ein Drei-Stufen-Tarif geplant. Bei der fragwürdigen Erbschaftsteuer (JF 51/08) sollen die Länder selbst entscheiden, in welcher Höhe sie die Steuer erheben oder ob sie sie überhaupt erheben. Staatliche Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter und die Sozialhilfe (ohne die in besonderen Lebenslagen) will die FDP in einem einzigen Transferbetrag („Bürgergeld“) pauschaliert zusammenfassen und nur noch von den Finanzämtern auszahlen lassen. Die Alterssicherung möchte sie „stärker in Richtung Kapitaldeckung umbauen“. Die private Altersvorsorge will sie vor staatlichem Zugriff besser schützen (Stichwort Hartz-IV-Schonvermögen). In der Gesundheitsversorgung setzt sie sich für „ein grundlegendes Umsteuern in ein freiheitliches System“ ein. Die Pflegeversicherung soll so umgestellt werden, daß Änderungen im Bevölkerungsaufbau keine Rolle mehr spielen. Vereinfachen will die FDP das Mietrecht. Es sei der veränderten Lage am Wohnungsmarkt anzupassen.

Die FDP wendet sich gegen immer mehr Freiheitsbeschränkungen, die die Regierungen in den vergangenen elf Jahren gegen den FDP-Widerstand durchgesetzt hätten. Seit 1998 habe ein dramatischer Abbau von Bürgerrechten stattgefunden. Aber was will sie konkret dagegen tun? Das fehlt. Und wenn sie es weiß, wird es auch in einer bürgerlichen Regierungskoalition nicht einfach werden, es durchzusetzen.

Das „Deutschlandprogramm 2009“ der FDP im Internet: www.liberale.de/files/653/FDP-Bundestagswahlprogramm2009.pdf

Foto: FDP-Protest gegen Mehrwertsteuererhöhung: Mehr Erfolg im Kampf gegen Freiheitsbeschränkungen?

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