© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/09 11. September 2009

Frisch gepresst

Frankfurter im Exil. Dank der Realitätstüchtigkeit des Unternehmersohns Max Horkheimer, der das finanzielle Polster seines Instituts für Sozialforschung (IfS) ins Ausland retten konnte, geriet das Exil des Frankfurter Professors und seiner Mitarbeiter zunächst zu einer weichen Landung. Diese komfortable Lage änderte sich erst nach dem Umzug in die USA, als Horkheimers Urfreund Friedrich Pollock das Institutskapital an der Börse verzockte. Seitdem waren Horkheimer, Adorno & Co. auf „Drittmittel“ angewiesen. Ihren größten Erfolg bei deren Einwerbung errangen sie 1943, als ihnen das American Jewish Committee ein Projekt finanzierte, das „antisemitische Einstellungen“ in der US-Gesellschaft erforschen sollte. 1944/45 beauftragte sie zudem das Jewish Labor Committee mit einer ähnlichen Arbeit, beschränkt auf die Haltung zu Juden in der US-Arbeiterschaft. Erkenntnisleitend war für beide Erhebungen die Voraussetzung einer aufzudeckenden „Vorurteilsstruktur“, obwohl Adorno sich mit dieser Reduktion nicht wohlfühlte und zu bedenken gab, „nicht alle Vorwürfe gegen Juden“ ließen sich als Vorurteil und somit als „wahnhaft“ abtun. Ein Einwand, den Gershom Scholem stets gegen den dominierenden, simplen Psychologismus des „Vorurteils“ ins Feld führte. Mit derart prinzipieller Fragwürdigkeit der im Exil entstandenen „Antisemitismus“-Arbeiten der Frankfurter Sozialforscher beschäftigt sich die in Seattle lehrende Eva-Maria Ziege aber lieber nicht. Ihr genügt es, einem in der ausgeuferten Literatur zu Horkheimer/Adorno und zur IfS-Geschichte bislang etwas vernächlässigten Zeitabschnitt sowie einer Periode empirischer Arbeit die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken (Antisemitismus und Gesellschaftstheorie. Die Frankfurter Schule im amerikanischen Exil, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2009, broschiert, 346 Seiten, 13 Euro).

 

Andreas Hofer. Anläßlich des anstehenden Hofer-Jahres fand im September 2008 eine Tagung über den Einfluß des Freiheitskämpfers Andreas Hofer auf den Tiroler Tourismus statt. Nun kündet ein umfangreicher Tagungsbericht (alle Beiträge deutsch und italienisch) über die äußerst heterogenen Vorträge, die sich mit der Marke „Hofer“ bis in Gastrokultur und Souvenirs ebenso beschäftigen wie mit der politisch-kulturellen Rezeption des Sandwirts zwischen Kufstein und Salurner Klause. Obwohl der Band auch die bis zum 15. November 2009 auf Schloß Trauttmansdorff bei Meran gezeigte Sonderausstellung mit dem respektlosen Titel „Der mit dem Bart ...“ begleitet, unterbleibt jedoch eine eventuell erwartbare – weil modische – „Dekonstruktion“ des Tiroler Helden (Paul Rösch, Konrad Köstlin, Hrsg.: AndreasaHofer. Ein Tourismusheld?! Studien Verlag, Innsbruck 2009, broschiert, 702 Seiten, 39,90 Euro).

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