© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/09 11. September 2009

Liebe Frau Fernau
Herbert Fleissner

Am 11. September 2009 wäre Ihr Mann und unser hochgeschätzter Autor Joachim Fernau 100 Jahre alt geworden.

Dieser bevorstehende Gedenktag gibt mir Anlaß, nicht nur nochmals sein Werk zu lesen und darüber nachzudenken, wie heute und morgen Joachim Fernau von einer neuen Lesergeneration verstanden werden wird.

Die Biographie Joachim Fernaus ist typisch für seine Generation und ist gekennzeichnet durch erfahrenes Leid (Vertreibung aus Bromberg/Westpreußen nach Tod des Vaters) und außerordentliche Lebensleistungen.

Natürlich stand das Erleben des Zweiten Weltkriegs in der persönlichen Erinnerung (PK-Berichter im Führungspanzer bei Orel und Kursk), ohne in den erfolgreichen Büchern (Griechenland, Rom, USA, Deutschland u.a.) aus zeitgenössischen Gründen allzu deutlich zu werden.

Seine Satire „Heldentum nach Ladenschluß“ und der „Hauptmann Pax – Bericht von der Furchtbarkeit und Größe der Männer“ zeigen einen Chronisten, der mehr wußte, als er in seinen Texten festhielt.

Nicht gezeigt werden konnte bisher der Teil seines schriftstellerischen Werkes, das als „Kriegspropaganda“ abgetan wurde und einer Selbstzensur unterlag, die ihm erst von ideologischen Gegnern wie dem ehemaligen NSDAP-Mitglied Professor Wapnewski in diskriminierender Absicht ausführlich in der Zeit („Pardon soll er nicht haben“) vorgehalten wurde.

Die Literaturgeschichte wird früher oder später auch diese Zensur nicht mehr zur Kenntnis nehmen, sondern allein die Textform und das Erleben dieser Generation von Joachim Fernau zum betrachtenden Gegenstand erheben.

Erfahrungsgemäß gibt es ein Verschweigen immer nur für einen gewissen Zeitraum. Die erkennbare Größe eines Autors wird späteren Generationen deutlich.

Joachim Fernau hat seine Lehren aus der Weltgeschichte gezogen, sie der gegenwärtigen Generation durch seine Bücher dargeboten, die nun auch auf seinen Wunsch hin in den zehn größten Bibliotheken der Welt auffindbar sind.

So bin ich ihm auch in Zukunft mit besonderem Dank verbunden an diesem 100. Gedenktag seiner Geburt.

Er war ein Mann stillen    Wirkens und der überzeitlichen Gedanken. Nicht, daß ihm die Gegenwart fremd gewesen wäre. O ja, er kannte sie, mußte sie wie die Generation seiner Zeitgenossen erleben und erleiden mit all den Unmenschlichkeiten, die dieses Jahrhundert mit sich gebracht hatte, oft bis zur physischen und seelischen Erschöpfung. „Was bleibt“, sagt Hölderlin, „stiften die Dichter.“ Joachim Fernau war ein Dichter, und wir stehen am Grab eines großen Geistes.
Herbert Fleissner in seiner Grabrede auf Joachim Fernau

 

Dr. Herbert Fleissner, Jahrgang 1928, studierte Jura in Innsbruck. 1952 begann er mit dem Aufbau seines Verlagshauses, der heutigen Verlagsgruppe Langen Müller Herbig. 2004 zog er sich aus der aktiven Geschäftsführung zurück.

Im selben Jahr wurde er von der JUNGEN FREIHEIT für sein Lebenswerk mit dem Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis aus-gezeichnet.

Foto:  Herbert Fleissner (l.), Gabriele und Joachim Fernau: Mit besonderem Dank verbunden Minderheit begrüßt: Außenpolitisch nur kurzzeitig geächtet

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