© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/09 18. September 2009

Christopher Caldwell entzaubert in einem spektakulären Buch die Mythen der Einwanderung
DerWarner
Ronald Gläser

In den USA sorgt derzeit ein Buch über die Revolution in Europa für Aufsehen: „Reflections on the Revolution in Europe“. Der Titel spielt an auf das 1790 erschienene „Reflections on the Revolution in France“ des Staatsphilosophen Edmund Burke, Vater des angelsächsischen Konservatismus, in dem dieser die fatalen Folgen der Französischen Revolution aufzeigte. Der Untertitel „Immigration, Islam and the West“ zeigt jedoch, um welchen Umsturz es heute geht: Gemeint ist die Multikulti-Revolution, die Einwanderung von Millionen Moslems.

Diskutiert wird darin die Frage, ob Europa immer noch das gleiche ist, wenn andere Menschen darin leben. Der Autor, der renommierte Journalist Christopher Caldwell, meint: Nein, die Moslems drohen Europa zu dominieren, demographisch, politisch und kulturell, weil die Europäer resignieren, da sie einen Minderwertigkeitskomplex mit sich herumtragen, dessen Wurzeln in der Nazi- und der Kolonial-Vergangenheit liegen.

Für Caldwell, der sich seit Jahren mit der Einwanderung nach Westeuropa beschäftigt, steht fest, daß es ein Fehler war, Gastarbeiter und Asylanten einzuladen, die dem Wohlfahrtsstaat nun wie Mühlsteine am Hals hängen. Gerade die Deutschen hätten alles falsch gemacht, was sich nur falsch machen ließ. Unter anderem auf Wolfgang Schäuble hat er es abgesehen. Der deutsche Innenminister verharmlose das Einwanderungsproblem, wie so viele Regierungen zuvor, die  den Bürgern Sand in die Augen gestreut hätten. Und überhaupt: Die deutsche Islamkonferenz sei ja wohl der größte Humbug.

Eigentlich interessieren sich Amerikaner wenig für die Schwierigkeiten der Europäer. Doch die Masseneinwanderung katholischer Latinos hat zu einem Umdenken in den protestantischen USA geführt: Sie wird als Bedrohung empfunden. Der 11. September hat diese Sicht verschärft: Moslems gelten als noch größere Bedrohung, ihre Einwanderung also als eine Art Super-GAU.

Waren US-Konservative wie Patrick Buchanan mit solchen Thesen bisher auf taube Ohren gestoßen, nun scheinen sie mitten im amerikanischen Zeitgeist angekommen zu sein. Christopher Caldwell, der fünf Kinder hat, gehört zum amerikanischen Establishment, er schreibt für Financial Times, Weekly Standard, Wall Street Journal, New York Times oder die Washington Post – also die renommiertesten US-Blätter. Und ein britischer Kollege, kein geringerer als der Herausgeber des Spectator, titulierte ihn als „einen der besten Journalisten der Welt“.

Für jemanden, der so gefragt ist, lebt Caldwell erstaunlich zurückgezogen. Obwohl seine Reportagen von Millionen gelesen werden und er im Radio auftritt, ist er ein fast unbeschriebenes Blatt, unterhält keine Netzseite und verrät nicht sein Alter. Vielleicht stand er bisher zu sehr im Schatten seines Schwiegervaters, des jüngst verstorbenen konservativen Publizisten Robert Novak. Möglicherweise wird Caldwell – dank seines Buches – nun die neue Feder des konservativen Amerika.

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