© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/09 25. September 2009

Nur vorzeigbare Objekte
Pommerns Gutslandschaft
Jochen Stenzel

Edda Gutsche ist ausgebildete Fremdenführerin und „Reiseleiterin mit Spezialgebiet Osteuropa“, wie ihr Verlag in einem Kurzporträt verrät. Da ist sie als Autorin von Reisebüchern also schon berufsbedingt disponiert, ihre Leser eher die Sonnenseiten einer Region erleben zu lassen. In ihrem vom Greifswalder Kunsthistoriker Michael Lissok mit einer ausführlichen kulturgeschichtlichen Einleitung versehenen Werk über die „Schlösser und Herrenhäuser in Pommern“, Vor- und Hinterpommern umspannend, hat sich Gutsche von solcher professionellen Fixierung auf „Sehenswürdigkeiten“ nicht lösen können. Dies fällt am unangenehmsten auf, wenn sie uns in das 1945 von Polen annektierte Hinterpommern führt.

Desorientierend wirkt schon die beigegebene Karte, die allein die polnischen Namen der vorgestellten Adelsbauten bietet. Und das, obwohl sich mit Stuchowo, Koszewko oder Swobnica historisch nicht das allergeringste Faktum verknüpfen läßt und der erdrückende Teil potentieller Interessenten für diesen Reiseführer aus „Heimweh-Touristen“ besteht, die auf den Spuren ihrer Biographie in einer deutschen Kulturlandschaft unterwegs sind. Überdies folgt Gutsche den derzeitigen polnischen Verwaltungsgrenzen, spart also den östlichen, mit Gutsarchitektur reich gesegneten Teil Hinterpommerns kurzerhand aus – abgesehen von Warcino, dem Besitz des Fürsten Bismarck, den bis zum Februar 1945 seine Schwiegertochter Sybille bewohnte, die den Freitod wählte, als sich die mordende und brandschatzende Sowjetsoldateska dem Raum Schlawe-Rummelsburg näherte.

Beraten durch das Generalkonsulat Polens in Hamburg, steuert Gutsche im ihr verbleibenden „Westpommern“ fast ausschließlich vorzeigbare „Objekte“ an. Allein die westlich Pyritz gelegene imposante Ruine des Schlosses Wildenbruch, das angeblich schon vor 1945 dem Verfall preisgegeben worden sei, gibt einen Fingerzeig auf den Normalzustand abseits der wenigen aufgemöbelten Anlagen in Krangen, Streckenthin, Trieglaff, Böck oder Matzdorf. Jeder Tagesausflug über die Oder hinweg, etwa in die einstigen Kreise Naugard und Regenwalde, verschafft einen erschütternden Eindruck vom teilweise in Vandalismus übergehenden, der Verwahrlosung ungehemmten Lauf lassenden Umgang mit dem hinterlassenen deutschen Erbe (Reisebericht „Bismarck im Rückspiegel“ in JF 26/08), der entschieden weniger hochglanztauglich ist als Gutsches Auswahl.

Edda Gutsche: Schlösser und Herrenhäuser in Pommern. Rügen, Vorpommern, Zachodniopomorskie/Westpommern, L+H Verlag, Hamburg 2008, gebunden, 218 Seiten, Abbildungen, 19,80 Euro

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