© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/09 02. Oktober 2009

Aufgeschnappt
Blind und gerecht
Matthias Bäkermann

An Autobahnraststätten in Nordrhein-Westfalen liegen seit einigen Wochen Broschüren mit dem Titel „Clever fahren, damit Sie sicher ankommen“ aus, in denen speziell Lastkraftfahrern Ratschläge zur Unfallvermeidung gegeben werden. Herausgegeben wurden diese vom NRW-Ministerium für Bauen und Verkehr (Bestell-Nr. V-540). Dem SPD-Landtagsabgeordneten Bodo Wißen aus dem niederrheinischen Haldern fiel an diesen Handreichungen allerdings auf, daß sie auch in Blindenschrift gestaltet sind, und er formulierte umgehend eine parlamentarische Kleine Anfrage (Nr. 3512 vom 10. August) an die Landesregierung. Darin fragt der 35jährige Parlamentarier mit süffisantem Tonfall nach Auflage und Kosten des blindengerechten Fahrzeugführer-Ratgebers. Außerdem soll die Landesregierung Auskunft darüber abgegeben, für „wie groß sie die Zielgruppe für diese Broschüre einschätzt“.

Mehr als einen Monat später liegt nun die Antwort der zuständigen Ministerien vor (Drucksache 14/9674): Seit Anfang 2008 werden nämlich sämtliche gedruckten Broschüren des unionsgeführten Ministeriums unter Lutz Lienenkämper mit einer Prägung in Braille-Schrift auf der Titelseite gedruckt, die Titel und Internetverweis zu barrierefreien PDF-Dokumenten im Ministerium nennt. Die Kosten der 70.000 Broschüren werden mit 5.460 Euro beziffert. Zur Begründung hieß es, das Ministerium „möchte niemanden von der Information ausschießen, mit welchen Inhalten es sich befaßt – auch Sehbehinderte nicht“. Vielleicht hilft dieser hehre Ansatz der Antidiskriminierung blinden Lkw-Fahrern sogar beim „sicher Ankommen“.

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