© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/09 02. Oktober 2009

Aus Ehrfurcht vor der Natur
Pumalín-Nationalpark in Chile: Eine Stiftung des US-Mäzens Douglas Tompkins setzt sich für den Erhalt der Urwälder ein
Volker König

Patagonien – der „große Süden“, wie ihn die Chilenen nennen – ist eine der wenigen klimatisch gemäßigten Regionen der Erde, die noch nicht unter Überbevölkerung oder Zersiedlung leiden. Nichts führt dies eindrucksvoller vor Augen als eine Fahrt auf der Carretera Austral (Ruta CH-7) von der Hafenstadt Puerto Montt gen Süden. Nur selten trifft man auf kleine Streusiedlungen, zumeist windet sich die Nationalstraße – eine mit Schlaglöchern gespickte Schotterpiste – an einsamen Fjorden und durch dichte Wälder entlang. Der Blick auf die Meeresarme läßt jedoch sorgenvoll werden: Immer mehr nehmen die Lachsfarmen zu, und mit ihnen die Gefahren, die mit der industriell betriebenen Massentierhaltung einhergehen. In kleinen Fischerdörfern gilt es, Fjorde per Fähre zu überbrücken, bis irgendwann die imposanten Wände der Berge jedes Weiterkommen verhindern.

In dieser atemberaubenden Landschaft verwirklicht eine US-Stiftung das Vorhaben, durch großflächige Landankäufe den pazifischen Regenwald dauerhaft vor zerstörerischen Eingriffen zu bewahren. Der Pumalín-Park ist vor allem das Werk eines Mannes: Douglas Tompkins. Der in der Kleinstadt Millbrook nördlich von New York geborene Sohn eines Antiquitätenhändlers war Mitgründer des Modeimperiums Esprit  und der Freizeitmarke The North Face  und so finanziell unabhängig, als er sich als junger Mann zunächst dem Bergsteigen widmete. Als Alpinist gelangte er in entlegene Regionen der Erde, so auch in die südchilenischen Anden.

In den sechziger Jahren, als die Umweltbewegung entstand, wandte sich auch Tompkins ihr zu. Ende der achtziger Jahre verkaufte er seine Esprit-Anteile und begann mit dem Aufbau einer ökologischen Denkfabrik, der späteren Foundation for Deep Ecology. Mit einem Stiftungskapital von 170 Millionen Dollar machte sie sich alsbald an umfangreiche Projekte. Vor allem bemühte Tompkins sich, große unberührte Wildnisflächen zu erwerben und vor der kommerziellen Erschließung zu bewahren. 1991 kaufte er in der chilenischen Provinz Palena eine Farm mit 17.000 Hektar immergrünen Regenwald ringsum. Dies sollte die Keimzelle seines Pumalín-Nationalparks werden. Er und einige weitere Parks, die Tompkins’ Stiftung erwarb, umfassen mittlerweile rund eine Million Hektar Land.

In Chile ist – wie in ganz Lateinamerika – der Gedanke des Schutzes von Natur, erst recht um ihrer selbst willen, großen Teilen der Bevölkerung fremd. Vielmehr galt und gilt es als Leistung, die als unnütz empfundenen Urwälder zu roden und der Verwertung zuzuführen und immer mehr Land für immer mehr Menschen urbar zu machen. Die Front der Gegner des Pumalín-Projekts reicht deshalb von Verschwörungsneurotikern, die hier einen von Ausländern errichteten Ökostaat im Staate entstehen sehen, über die Lobby der Lachs- und Holzindustrie bis hin zu jenen Kräften im Staatsapparat, deren ehrgeizige „Entwicklungs“-Projekte mit der Tiefenökologie in der Tradition des norwegischen Philosophen Arne Næss (JF 5/09) kollidieren.

Größtes Sorgenkind für Tompkins war in den zurückliegenden Jahren das Vorhaben der Regierung, ihre Nationalstraße ausgerechnet durch den Pumalín-Park weiter nach Süden voranzutreiben. Für ökologische Argumente blieben die Behörden unempfindlich, entscheidend waren für sie wirtschaftliche Kriterien. Dabei wurden sie nun mit ihren eigenen Waffen geschlagen. Denn Tompkins präsentierte in diesem Sommer den Entwurf für eine Alternativtrasse, die sich an dem Lauf der Ufer orientiert und Fjorde durch Fährverbindungen überwindet. Diese Variante, rechnete er vor, würde Chile nur 20 Millionen US-Dollar kosten – statt der 300 Millionen, die für die staatlichen Straßenpläne veranschlagt wurden. Der Kelch der Zerstörung von Pumalín könnte angesichts dessen an Tompkins vorübergehen.

Um der Kritik entgegenzutreten, ein Ausländer erwerbe hier aus unverständlichen Gründen riesige Ländereien, übertrug Tompkins zudem die Verwaltung des Parks einer eigenen chilenischen Stiftung, der Fundación Pumalín. Denn die Stiftung will alles andere als einen abgeschotteten Privatbesitz. Ihr geht es vielmehr darum, gerade auch in der chilenischen Öffentlichkeit für einen schonenden, von Ehrfurcht vor der Natur geprägten Umgang mit den Ressourcen zu werben und den Menschen die Schönheit der Urwälder nahezubringen. Auf rund 20.000 Hektar Privatbesitz der Familie Tompkins betreiben Musterhöfe biologische Feldwirtschaft, und fünf Prozent des gigantischen Parks sind durch Wanderwege und Campingplätze für Ökotouristen erschlossen.

Die deutschsprachige Internetseite des Pumalín-Parks: www.parquepumalin.cl/content/deu/

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