© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/09 09. Oktober 2009

Runter, damit es aufwärts geht
Finanzpolitik: Trotz steigender Staatsverschuldung müssen die Steuern erst einmal sinken
Klaus Peter Krause

Die Nettokreditaufnahme zur Finanzierung des Defizits der öffentlichen Haushalte erreichte im ersten Halbjahr 2009 den Betrag von 64,4 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr des Vorjahres hatten die Haushalte der Gebietskörperschaften dagegen noch eine Nettokredittilgung von 19,2 Milliarden Euro“, teilte vorige Woche das Statistische Bundesamt mit. Von der Nettokreditaufnahme des Bundes in Höhe von 64,1 Milliarden Euro entfiel der Löwenanteil von 37,6 Milliarden Euro auf die Extrahaushalte Finanzmarktstabilisierungsfonds und Investitions- und Tilgungsfonds – sprich die Rettung von Banken und das Konjunkturpaket.

Die Kreditmarktschulden der öffentlichen Hand erreichten zum Ende des ersten Halbjahrs 2009 den Rekordwert von 1,6 Billionen Euro. Damit lasten inzwischen über 21.000 Euro Staatsschulden auf jedem Deutschen. Steuersenkungen sind angesichts dessen nicht nur unter Politikern umstritten, sondern teils auch unter Ökonomen. Angesichts der laut Prognosen weiter rasant steigenden Staatsverschuldung wird sogar verlangt, die Steuern zu erhöhen.

Wie von den Schulden wieder herunterkommen? Diese Frage ist einer der Streitpunkte bei den Koalitionsgesprächen zwischen CDU, CSU und FDP in Berlin. Üblicherweise gibt es zur Schuldentilgung (die damit die jährlichen Zinszahlungen reduziert) drei Möglichkeiten, einzeln oder kombiniert: weniger ausgeben, mehr einnehmen oder die Schulden durch Inflation entwerten. Die alljährliche Geldentwertung, auch wenn sie im Regelfall nur gering ausfällt, ist schon schlimm genug, aber Inflationieren in großem Stil durch „Gelddrucken“ ist eine Gemeinheit. Wohl ist das bei einer unabhängigen Notenbank wie der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit nur noch sehr bedingt möglich, aber wie sich die EZB-Praxis angesichts der Folgen der Weltfinanzkrise in den Euro-Partnerländern entwickelt, ist nicht absehbar.

Für die künftige Bundesregierung dürften daher nur die beiden erstgenannten Möglichkeiten in Betracht kommen. Mehr Einnahmen – das geht direkt und brutal, indem sie die Steuern und sonstigen Zwangsabgaben erhöht oder zusätzliche Abgaben erfindet. Das geht aber auch indirekt und sanft, indem sie gute Bedingungen für Wirtschaftswachstum schafft. Denn dann nimmt auch die Beschäftigung zu und die Arbeitslosigkeit ab – und die Steuereinnahmen wachsen automatisch mit.

Für gute Bedingen ist ein gutes Regelwerk nötig, innerhalb dessen sich Unternehmen, Selbständige und Beschäftigte frei entfalten können – Ordnungspolitik genannt. Nicht Regierungen schaffen Arbeitsplätze, sondern Unternehmer, am meisten die im Mittelstand. Doch Regierungen können und müssen ein Umfeld schaffen, das ein Sichern und Entstehen von Arbeitsplätzen durch Unternehmer erleichtert. Das aber wird politisch unnötig schwer gemacht, steuerlich und bürokratisch. Auch eine Regierung, die die Kaufkraft der Bevölkerung stärkt, trägt dazu bei, daß produktive Arbeitsplätze erhalten bleiben oder zusätzlich entstehen.

Zu den Grundbedingungen gehört ein übersichtliches Abgaben- und Steuersystem mit Sätzen, die den Leistungswillen nicht abwürgen. Wer die Wirtschaft und die Menschen in ihrer eigentlichen Arbeit behindert und sie steuerlich zu stark belastet, lähmt sie und erschwert, daß die Wirtschaftsleistung zunimmt. Eben das ist in Deutschland der Fall. Daher läßt sich Wirtschaftswachstum durch Steuersenkungen erzielen. Leistung muß sich lohnen. Eben darum sind die vor der Bundestagswahl versprochenen Steuersenkungen sinnvoll.

Wer hoch verschuldet ist, lebt über seine Verhältnisse. Das gilt auch für den Staat. Daher hält Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Steuererhöhungen für unvermeidbar. Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts, warnt dagegen vor einem Anstieg der Steuerlast. Zu Recht, denn höhere Steuern sind wachstumsschädlich, zumal die Steuerbelastung ohnehin zu hoch ist und deshalb die sonst zusätzlich möglichen privaten Ausgaben für Investitionen und Konsum verhindert. Das Wirtschaftswachstum (auch) mit Steuersenkungen anzukurbeln, ist immerhin ein Konjunkturprogramm, das nachhaltig wirkt.

Wolfgang Franz, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, räumt zwar ein, wohl lege das Wirtschaftswachstum zu, wenn der Staat die Steuerlast senke – aber zu glauben, dadurch lasse sich das Loch in der Staatskasse ausgleichen, sei viel zu optimistisch: „Dafür ist das Potentialwachstum in Deutschland eine Nummer zu gering, erst recht jetzt nach der Krise.“

Franz hält es kaum für möglich, die Neuverschuldung zu verringern, ohne die Steuern zu erhöhen. Aber das Loch in der Staatskasse ist derart gewaltig, daß es sich über viele, viele Jahre ohnehin nicht füllen lassen wird, wahrscheinlich sogar nie mehr. Auch muß der Staat, um weniger neue Schulden zu machen, nicht zwangsläufig die Steuern heraufsetzen – er kann sparen und bisherige Ausgaben streichen. Was hier möglich ist, hat der Bund der Steuerzahler wieder einmal aufgezählt. Er kommt dabei auf etwa 24 Milliarden Euro.

Auch Eskapaden wie den vermeintlichen Klimaschutz mit der Subventionierung von Strom aus Wind- und Solarkraft durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) darf sich Deutschland nicht mehr leisten. Das dient weder den Bürgern noch den auf Energie angewiesenen Industrien. In der energieintensiven Chemie, Metallurgie oder Papierindustrie gibt es weit mehr Beschäftigte als bei Dresdner und Commerzbank, Opel oder Karstadt zusammen in Lohn und Brot. Es profitieren nur wohlhabende Subventionsgewinnler. Die künstliche Energieverteuerung schadet dem ganzen Land. Sie ist eine Kampfsubvention gegen weitaus billigere Energie aus Kernkraft, Gas oder Kohle. Deutschland gibt die Atomenergie (und seinen technischen Vorsprung) ohne jeglichen Sicherheitsgewinn auf, denn andere EU-Länder bauen sie aus.

Die bisherige schwarz-rote Merkel-Regierung hat Maßnahmen zum „Klimaschutz“ beschlossen, die bis zum Jahr 2020 über 500 Milliarden Euro kosten würden (siehe www.buerger-fuer-technik.de). Diese horrende Summe wird dringend für andere, vernünftige Zwecke benötigt. Trotzdem wollen auch Union und FDP vom staatlichen „Klimaschutz“ offenbar nicht lassen. Damit konterkarieren sie, was sie dringlichst benötigen und auch propagieren: wirtschaftliches Wachstum.

Die finanzpolitischen Forderungen des Bundes der Steuerzahler an die neue Regierungskoalition finden sich im Internet unter www.steuerzahler.de

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