© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/09 09. Oktober 2009

Brüderlichkeit unter tapferen Mauretaniern
Der französische Zeithistoriker Dominique Venner widmet sich biographisch dem Seelenverwandten Ernst Jünger
Karlheinz Weissmann

Es wäre reizvoll, die Lebensläufe von Ernst Jünger und Dominique Venner in Parallele zu setzen. Beide gehören zu den „Mauretaniern“: Männer, die das Erleben eines Kriegs und eines Bürgerkriegs geprägt hat und die ihre Erfahrung in die „zivile“ Existenz mitgenommen haben, nicht als Feierabenderinnerung, sondern als Impuls für politische Aktivität, mit dem Ziel, die Ordnung umzugestalten, sie „spartanischer“ zu machen.

Beide haben sich weit vorgewagt – Jünger weiter im Krieg, Venner weiter im Bürgerkrieg –, und beide haben ihre Positionen revidiert. Revidiert im Sinn einer Abkehr von jenem revolutionären, soldatischen, „neuen“ Nationalismus, dem sie sich verschrieben hatten, ohne doch in das bürgerliche juste milieu zurückzukehren. Der eine ein Deutscher, Veteran des Ersten und Zweiten Weltkriegs, der andere ein Franzose, geprägt von den Kriegen in Vietnam und Algerien, der eine Aktivist in den rechtsintellektuellen Zirkeln und Bünden der Weimarer Zeit, der andere militant der Organisation Armée Secrète in der Agonie der Vierten Republik. Zwischen ihnen liegen fast zwei Generationen, aber manche Ähnlichkeit in Mentalität und Weltanschauungen ist verblüffend.

Wahrscheinlich erklärt das hinreichend die Affinität, die Venner zur Geschichte der Mauretanier in Deutschland hat. Seine schon in den siebziger Jahren erschienene Darstellung der Freikorps zeugt davon, auch seine intensive Beschäftigung mit Ernst von Salomon und jetzt sein neues Buch über Ernst Jünger. Es handelt sich natürlich um eine Veröffentlichung für den französischen Leser, eine Kombination von Biographie und Werkgeschichte. Man erfährt alle wichtigen Fakten zum Lebenslauf Jüngers und erhält einen Überblick zur stufenweisen Entwicklung seines Denkens. Der Inhalt der Bücher wird eingehend wiedergegeben und charakterisiert, wobei der Schwerpunkt auf den zentralen Titeln liegt, die auch in französischer Sprache zugänglich sind. Aber es kommen außerdem die Hintergründe des bis heute angefeindeten Frühwerks zur Sprache, die ganze Kompliziertheit der ideologischen Frontlagen wird erläutert, die Bedeutung der Konservativen Revolution genauso wie die prorussische Tradition Preußens und die Konzeption eines „Nationalbolschewismus“ im Umfeld von Otto Strasser und Ernst Niekisch.

Dominique Venner ist ein Autor von bemerkenswerter Produktivität. Aus seiner Feder sind mittlerweile mehr als vierzig Bücher erschienen. Der Band über Jünger entstand nach einer umfassenden Alternativ-Geschichte des 20. Jahrhunderts und zahlreichen Publikationen, die sich neben der Zeitgeschichte und eher weltanschaulichen Fragen vor allem mit Waffenkunde und auch mit der Jagd beschäftigten. Daneben zeichnet Venner verantwortlich für die Herausgabe der Nouvelle Revue d’ Histoire. Trotzdem glaubt man ihm, daß das Buch über Jünger nicht einfach eins unter vielen ist.

Venner macht das nicht explizit, aber es spielt eine gewisse Seelenverwandtschaft mit, nicht nur aufgrund ähnlicher Lebenserfahrungen, sondern auch aufgrund einer ähnlichen Schlußfolgerung aus den Lebenserfahrungen, die dazu führte, daß er sich wie Jünger entschieden von überholten Kategorien des Denkens losgesagt hat, sich der Aussöhnung zwischen Franzosen und Deutschen widmete, alte Feindschaften beenden möchte – das alles nicht im Namen irgendeiner gönnerhaften Vorstellung von Jünger als „gutem Deutschen“ oder eines blassen Kosmopolitismus, sondern eines in der Geschichte verankerten Europa-Ideals und einer „Brüderlichkeit der Tapferen“, von der Jünger gesprochen hat.  Bei Venner heißt es dazu: „Durch sein Leben hat der alte Soldat das Vorbild einer Aristokratie der Haltung gegeben, auf das sich jeder junge Europäer in Zukunft beziehen kann. Er hat außerdem in seinem Werk Wege in die Zukunft gebahnt, unter Vermeidung derjenigen, die uns durch das Jahrhundert von 1914 aufgezwungen wurden.“ Venner hält das gerade deshalb für möglich, weil dieses Jahrhundert im genauen Sinn „das Jahrhundert Ernst Jüngers“ war.

Dominique Venner: Ernst Jünger. Un autre destin européen. Éditions du Rocher, Paris 2009, broschiert, 176 Seiten, 18 Euro

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