© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/09 09. Oktober 2009

Frisch gepresst

Preußen-Forschung. Am 25. Februar 1947 verfügten die Sieger des Zweiten Weltkriegs per Dekret das Ende des Staates Preußen. Daß die Besiegten sich forschend weiterhin mit der untergegangen Großmacht befassen durften, wurde hingegen großzügig gestattet. So setzte an der FU Berlin Carl Hinrichs, der Biograph des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1941), die große Tradition der Berliner Preußen-Forschung fort.  Gerd Heinrich, der die Stafette in Dahlem aufnahm, fährt als Emeritus soeben die Ernte seiner lebenslangen Beschäftigung mit Preußen und seinen Herrschern ein, wenn er jetzt zur Frankfurter Buchmesse eine Biographie Friedrichs II. vorlegt. Doch neben „Berlin-West“ entstanden ausgerechnet in Bayern zwei weitere Zentren bundesdeutscher Preußen-Forschung: in Erlangen, wo Hans Joachim Schoeps wie eine Art „Droysen im Exil“ wirkte, und in Würzburg, wohin der Hinrichs-Schüler Winfried Baumgart, geboren 1931 in Berlin, 1967 berufen wurde. Auf dessen Lehrstuhl dehnt inzwischen Wolfgang Neugebauer die „moderne strukturhistorische Preußen-Forschung“ auf „Preußen als Kulturstaat“ aus. Einen ausgezeichneten Zugang zur ganzen Breite dieser neo-borussischen Historiographie offerieren jetzt die von Frank-Lothar Kroll ausgewählten dreißig Abhandlungen Baumgarts, die Strukturproblemen des preußischen Staatswesens gelten, den „Herrschaftsstil“ der Hohenzollern analysieren, Friedrich II. als „europäische Gestalt“ porträtieren oder die Lage der jüdischen Minorität vor der Emanzipation untersuchen (Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime. Ausgewählte Abhandlungen, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2009, broschiert, 595 Seiten, 86 Euro).

 

Grenzgänger. Wer heute den Verkehrsschnittpunkt Friedrichstraße in Berlin-Mitte passiert, kann sich beim besten Willen kaum vorstellen, daß dieser Bahnhof bis 1989 eine bizarre Schnittstelle zwischen Ost und West war: nicht nur als  Einreisebahnhof für Westler nach Ost-Berlin inklusive „Tränenpalast“, sondern auch als Schattenbahnhof einer U-Bahnlinie (West), welche die Berliner Mitte (Ost) unterquerte. Dort lud nur ein einsamer Intershop auf dem Bahnsteig West-Berliner zum zollfreien Zigaretten- und Schnapseinkauf ein. Da dieser Raum unter ständiger Kontrolle der „bewaffneten Organe der DDR“ stand, war Fotografieren natürlich für jeden gefährlich. Der West-Berliner Journalist Michael Magercord hat sich davon jedoch nicht beeindrucken lassen und kann deshalb heute ein ebenso beklemmendes wie faszinierendes Fotodokument dieses Orts präsentieren (Endstation Grenze. Bahnhof Friedrichstraße Berlin 1986. Geheime Fotos eines Grenzgängers. Sutton Verlag, Hamburg 2009, gebunden, 95 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

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