© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

„Der innovative Vorsprung muß gehalten werden“
Interview: Der Leonardo-Geschäftsführer Hubert Kohler über die mittelständische Wirtschaft in Zeiten der Weltfinanzkrise
Wolfhard H. A. Schmid

Herr Kohler, Ihr Unternehmen wurde erst Anfang dieses Jahres gegründet und erhielt bereits auf der diesjährigen Internationalen Handwerksmesse in München (IHM) den Bundespreis für hervorragende innovative Leistungen. Das ist eine erstaunliche Leistung. Ihr Partner Ludwig Bauer hat einen mittelständischen Handwerksbetrieb für Elektroinstallationen, und Sie sind Geschäftsführer eines mittelständischen Metallunternehmens für Behälterbau. Wie kam es schließlich zu der gemeinsamen Neugründung der Firma Leonardo?

Kohler: Wir arbeiten schon jahrelang mit unseren bisherigen Firmen zusammen. Als Ludwig Bauer letztes Jahr vorschlug, daß wir auf dem Gebiet der Solartechnik zusammenarbeiten sollten, habe ich mir gedacht, der Markt für alternative Energien bietet große Chancen für Neuheiten, und ich war sofort dabei. Gemeinsam entwickelten wir einen Latentspeicher als SWS-Modul, das heißt als solaren Wärmespeicher, der im Vergleich zu den gängigen Konzepten eine wesentlich höhere Speicherkapazität ermöglicht. Mit Fördergeldern des Bundeswirtschaftsministeriums konnten wir unseren Speicher zur Fertigungsreife entwickeln und patentieren lassen. Anfang dieses Jahres haben wir dann die Leonardo-Energietechnik gegründet, die uns beiden zu gleichen Teilen gehört.

Warum wählten Sie den Namen Leonardo-Energietechnik?

Kohler: Ganz einfach! Schon der Universalgelehrte Leonardo da Vinci hatte 1512 die Sonne als Energiequelle erkannt und Sonnenstrahlen zur Warmwasseraufbereitung genutzt.

Was ist ein Latentwärmespeicher?

Kohler: Beim Latentwärmespeicher nutzen wir die Erstarrungswärme aus dem Latent, in unserem Falle von Paraffin, dessen Wärmemenge vierfach höher als die von Wasser oder Öl ist. Dazu kommt, daß beispielsweise gegenüber Öl als Medium kein träger Phasenübergang gegeben ist.

Wäre er auch für den Automobilbau – etwa als energiesparende Kaltstarthilfe im Winter – geeignet?

Kohler: Zunächst denken wir an die Primärversorgung mit Brauchwasser und Wärme von Privathaushalten, aber auch von großen Gebäuden. Im Automobilbau sind hingegen sehr kleine Einheiten notwendig, unter Umständen wäre das System allerdings für den LKW-Bereich denkbar.

Für die Markteinführung Ihres innovativen Wärmespeicher benötigen Sie sicher eine entsprechende Anschubfinanzierung, um die budgetierten Ziele erreichen zu können. Spüren Sie auch die derzeit restriktive Kreditvergabe bei den Banken trotz Förderung durch die Bundesregierung?

Kohler: Eigentlich nicht! Die örtliche Sparkasse gibt uns gute Unterstützung. In meiner Funktion als Geschäftsführer der deutsch-niederländischen Firma Holzner & Sanamij GmbH, mit der wir im Spezialbehälterbau einen guten Namen haben, arbeite ich schon jahrelang mit der hiesigen Sparkasse zusammen. Wir haben dort 35 Mitarbeiter, und in der neu gegründeten Leonardo GmbH sind wir zunächst einmal mit vier Mitarbeitern damit beschäftigt, ein Vertriebsnetz mit Installationsfirmen aufzubauen. Den Latentwärmespeicher lassen wir von der Behälterbaufirma herstellen.

Leidet die Anlaufphase Ihres gemeinsamen Unternehmens nicht trotz Ihres patentierten Latentwärmespeichers unter der derzeitigen weltweiten Wirtschaftskrise?

Kohler: Nein, weil wir hauptsächlich Privatleute ansprechen, wo Investitionen in alternative Energieversorgung trotz Rezession nach wie vor ein Thema sind.

Was sind die mittelfristigen Ziele Ihres Unternehmens? Wollen Sie sich neben dem deutschen auch die europäischen Märkte erschließen?

Kohler: Unser Ziel ist der deutschsprachige Raum. Aus der Zelle Bayern werden wir den Markt in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufbauen, dazu kommt ein Netz von Stützpunkthändlern.

Neben Großkonzernen wie BMW und Daimler, die in der Entwicklung neuer Antriebstechniken eine Zusammenarbeit vereinbart haben, trifft man inzwischen auch immer mehr Kooperationen bei mittelständischen Industrieunternehmen an. Haben Sie in dieser Richtung auch schon Überlegungen angestellt, um die Markt­erschließung Ihres Wärmespeichers zu beschleunigen?

Kohler: Im Behälterbau gibt es bereits bei Sterilisierungsanlagen eine Zusammenarbeit mit einer Firma. In der Forschung und Entwicklung kooperieren wir mit Firmenpartnern, um notwendige Forschung und Entwicklung finanzieren zu können. Dabei nutzen wir die Fachhochschule Kempten und die schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt SLV in München. Wenn es notwendig wird, sind wir auch bei Leonardo für Kooperationen offen.

Auf der anderen Seite erlebt man aber leider auch immer wieder, daß Großkonzerne geniale Erfindungen von kleineren Unternehmen mit wenigen Änderungen nachbauen und dabei bewußt einen Patentstreit in Kauf nehmen, um mit ihrer finanziellen Machtposition den ursprünglichen Erfinder vom Markt zu drängen. Befürchten Sie nicht, eines Tages in eine ähnliche Situation zu kommen?

Kohler: Solche Bedenken sind sicherlich gerechtfertigt. Dafür gilt die Regel, der innovative Vorsprung muß gehalten werden, und bei uns gibt es noch viel Innovationspotential und neue Ideen, die auf eine Umsetzung warten. Gegenüber den großen Konzernen sind wir als mittelständisches Unternehmen sicher wesentlich flexibler. Diesen Vorteil müssen wir konsequent weiter nutzen.

Die mittelständische Wirtschaft ist der wichtigste Arbeitgeber in Deutschland. Wegen ihrer heterogenen Struktur ist sie in der öffentlichkeitswirksamen Reformdebatte aber nur unterrepräsentiert. Ist das aus Ihrer Sicht ein Nachteil?

Kohler: Ja, sicher ein Nachteil. Staatliche Regulierungen und Bauvorschriften werden immer enger, und gleichzeitig wird das Bauen wegen solcher Änderungsvorschriften bis zu 25 Prozent teurer, wie wir bei unserem geplanten Erweiterungsbau feststellen müssen. In Österreich oder Polen gibt es solche Bauvorschriften nicht.

Welche Probleme sehen Sie für Ihr Unternehmen durch die Entscheidungen der Bundes- und Europapolitik?

Kohler: Es wäre schön, wenn es eine gewisse Gleichstellung in der EU geben würde. Als weiteres Beispiel für eine Schieflage möchte ich die Auflagen vom TÜV und die Umweltvorschriften in Deutschland nennen. Im Vergleich hierzu sind die Vorschriften in Italien oder Polen wesentlich geringer.

Immer mehr Gesetze und Regelungen kommen aus Brüssel, seit Anfang 2008 gilt auch die sogenannte EU-Chemikalienverordnung (REACH-Verordnung), über die zahlreiche Mittelständler klagten. Hat sich Ihre Anlaufphase durch die Bürokratie der EU-Administration erschwert?

Kohler: Bis jetzt spüren wir in der Anlaufphase von Leonardo als Entwicklungs- und Vertriebsgesellschaft solche Regelungen noch nicht, wahrscheinlich auch deshalb nicht, weil wir in keinem in dieser Richtung diffizilen Bereich arbeiten.

Teile der Wirtschaft klagen trotz Wirtschaftskrise weiter über den Fachkräftemangel. Gehören Sie auch dazu?

Kohler: Ja, es ist immer noch schwierig, sehr gute Facharbeiter zu finden. Auch die Suche nach Technikern und Ingenieuren ist nicht einfach. Deshalb bilden wir auch ständig unseren Nachwuchs aus und übernehmen ihn nach der Lehrzeit. Insgesamt haben wir mit einem gut durchmischten Personal derzeit allerdings keine Probleme.

Foto: Solarzellen hinter Sonnenblume: Private Investitionen in alternative Energieversorgung trotz Rezession

 

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