© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

Die Dollar-Hegemonie wackelt
Währungspolitik: Angesichts exorbitanter Verschuldung der USA werden die Hauptgläubigerländer nervös
Michael Wiesberg

 Vorige Woche sorgte ein Artikel des britischen Nahost-Korrespondenten Robert Fisk auf den Internetseiten der linksliberalen Londoner Zeitung The Independent für reichlich Diskussionsstoff: Danach sollen die arabischen Golfstaaten überlegen, den US-Dollar innerhalb von neun Jahren durch einen Währungskorb aus Dollar, japanischem Yen, chinesischem Renminbi (Yuán), Euro und Gold zu ersetzen. Zusätzlich könnte die geplante Einheitswährung des Golf-Kooperationsrates (CCASG, mit Saudi-Arabien, Abu Dhabi, Kuwait und Katar) dazukommen. Angeblich sollen darüber bereits Gespräche mit Frankreich, China, Japan und Rußland geführt worden sein. Vertreter dieser Staaten beeilten sich, diesen Bericht, der offensichtlich einseitig aus „interessegeleiteten Quellen“ schöpfte, umgehend zu dementieren.

Die Geschwindigkeit aber, mit der sich Fisks Artikel quasi über Nacht verbreitet hat, zeigt an, wie stark das Renommee des Dollar in den letzten Jahren gelitten hat und wie stark die Unsicherheit im Hinblick auf die Zukunft des internationalen Währungssystems angewachsen ist.

Ein absehbares Ende der Dollar-Fakturierung des Erdöls und damit auch des Dollar als Weltleitwährung wird inzwischen für möglich gehalten. Eine derartige Prognose hat offensichtlich eine Reihe von schlagenden Argumenten auf ihrer Seite: Die Finanzkrise hat die wirtschaftliche Basis der USA erheblich geschwächt; das Vertrauen in die Wachstumsperspektiven und die Größe der US-Volkswirtschaft sowie in die Fähigkeit der US-Notenbank, Preisstabilität herzustellen, ist in den letzten Jahren erheblich gesunken.

Vor allem aus diesem Vertrauen internationaler Wirtschaftsakteure (wie Zentralbanken, Rohölproduzenten oder Investmentbanken) leitete sich aber die währungspolitische Dominanz der USA ab, seit Nixon 1971 die Gold-Konvertibilität aufkündigte. Dieses Vertrauen hing – und hier dürften die eigentlichen Ursachen der aktuellen „Dollar-Krise“ liegen – eng mit der Rolle der USA als Konsument zusammen: Die US-Märkte machten in der Vergangenheit bis zu 25 Prozent der Weltnachfrage aus. Genau diese US-Märkte sind jetzt von einem starken Nachfragerückgang gekennzeichnet.

Die Tragweite dieses Vorgangs eröffnet sich, hält man sich vor Augen, wie das „Geschäftsmodell“ zwischen den USA und den aufstrebenden Staaten Asiens, allen voran China, bisher ausgesehen hat: Die USA kauften ein Gutteil der in Asien produzierten Güter, und die asiatischen Staaten münzten im Gegenzug ihre Exportgewinne in US-Staatsanleihen (sprich Schuldscheine) um. Auf diese Weise wurde der gigantische US-Konsum ermöglicht (an dem auch Ärmere dank Kreditkarte teilhatten), weil durch die Auslandsnachfrage nach US-Obligationen das Zinsniveau in den USA niedrig gehalten werden konnte.

Die anhaltende Schwäche des Dollar aber droht diesem „Geben und Nehmen“ jetzt ein Ende zu machen, und zwar aufgrund des Wertverfalls der Dollar-Devisenreserven, die meist die Zentralbanken in aller Welt angehäuft haben. Allein China besitzt 24 Prozent der US Treasury Securities, Japan 21 Prozent – Deutschland zwar nur 1,8 Prozent, dafür ungleich mehr von US-Privatbanken emittierte „Schrottpapiere“.

Natürlich liegt es nahe zu glauben, daß die Zentralbanken deshalb ein starkes Interesse an einem halbwegs stabilen Dollar haben müßten. Dem muß aber entgegengehalten werden, daß die augenblickliche Entwicklung den Anreiz steigert, die eigenen Dollar-Devisenreserven abzustoßen, bevor der Dollar noch weiter fällt, was die US-Konjunktur vollkommen zum Erliegen bringen könnte.

Die Gefahr der Abstoßung von Dollar-Devisenreserven könnte möglicherweise von den erdölproduzierenden Staaten (die sechs Prozent der US Treasury Securities besitzen) ausgehen, wie zum Beispiel Jörn Grisse und Christian Kellermann in einer Analyse für die Friedrich-Ebert-Stiftung feststellten. Deren Interesse an einem stabilen US-Konsum sei nämlich weit weniger ausgeprägt, als es bei den asiatischen Staaten der Fall ist. Sie könnten aufgrund der weltweit angestiegenen Nachfrage nach Öl auch ein größeres Wegbrechen der US-Nachfrage kompensieren.

Das wäre womöglich der Anfang vom Ende der Dollar-Hegemonie und des sogenannten Petrodollar. Freilich dürfte es dann kaum einen Wechsel zu einem künstlichen „Währungskorb“ geben, wie Fisk behauptet, sondern zu einer liquiden anderen Währung, möglicherweise dem Euro.

Den USA entgingen in diesem Fall einmal die sogenannten Seigniorage-Einnahmen (Nettoerträge der Notenbank durch die Emission von Bargeld und andere Formen des Zentralbankgeldes), die aufgrund der hohen Nachfrage nach Dollar anfallen. Zum anderen profitierten die USA bisher von den Kapitalimporten aus erdölexportierenden Staaten. Mangels geeigneter Anlagemöglichkeiten im eigenen Land wurden die Gewinne aus dem Erdölgeschäft zu einem nicht geringen Teil in den USA investiert.

Aber auch dieses Szenario, nämlich das mögliche Ende der „Petrodollar-Ära“, wäre wohl für Staaten wie zum Beispiel Saudi-Arabien nur eine Ultima ratio, weil der Wüstenstaat auf den militärischen Schutz der USA angewiesen ist. Diesen faktischen Versicherungsvertrag wird man wohl nur dann zur Disposition stellen, wenn der Dollar zu einer rapiden Talfahrt antritt. Eine derartige Angst ist da und äußert sich zum Beispiel in einer Flucht ins Gold, dessen Kurs pro Feinunze sich neuerdings auf einem Rekordhoch (in Dollar gerechnet) befindet.

US-Mittelstand fällt künftig als Exportkonsument aus

Ob es tatsächlich – aus Sicht der USA – zum Äußersten kommt, wird sehr stark von der Haushaltspolitik von Präsident Barack Obama und von der Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) abhängen. Immer deutlicher wird aber, daß es für die USA kein Zurück zur Situation vor der Finanzkrise geben wird. Die hochverschuldete und von Arbeitslosigkeit oder zumindest sozialem Abstieg bedrohte US-Mittelklasse wird nicht mehr länger die treibende Kraft des Weltkonsums sein. Zudem sind die privaten, von Börsengewinnen gespeisten US-Rentenfonds, die  amerikanischen Pensionären einen sonnigen Lebensabend ermöglichten, von der Finanzkrise in den Abgrund gerissen worden. Auch ihr üppiger Konsum geht damit zurück.

Damit entfällt ein wichtiger Anreiz für die US-Lieferanten China und Japan, den Dollar weiter als Reservewährung zu halten. Zudem läuft jeder Schatzbrief irgendwann aus und wird fällig. Finden sich nicht genügend Käufer für neue US-Schuldscheine (das Angebot an US-Industrieprodukten ist inzwischen sehr überschaubar), könnte zwar die Fed diese Treasury Bonds aufkaufen und so die Dollar-Menge weiter aufblähen – aber mit ungeahnten inflatorischen und anderen Folgen. Es wird deshalb sehr viel Geschicks bedürfen, wenn Friedensnobelpreisträger Obama die Vorteile der bisherigen Dollar-Hegemonie für die USA bewahren will.

 Foto: Dollar-Symbol auf Öltonne: Allein China besitzt 24 Prozent der US Treasury Securities, Japan 21 Prozent, die Ölstaaten 6 Prozent

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