© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/09 16. Oktober 2009

DaWanda.com: Trendmaschen, Blütenträume und Omas Schoko-Kirsch-Gugelhupf
Kreatives Deutschland
Toni Roidl

DaWanda.com, der Internet-Marktplatz für handgemachte Einzelstücke, wurde schon oft als „Häkel-Community“ oder „Hausfrauen-E-Commerce“ belächelt. Zu Unrecht, denn das deutsche Unternehmen ist erfolgreich, was sich besonders in der Vielzahl der Nachahmer zeigt. Das US-Vorbild etsy.com macht mit zwei Millionen Mitgliedern einen Jahresumsatz von 90 Millionen Dollar.

eBay für Handgemachtes und mit Festpreisen

Gegründet wurde DaWanda 2006 von Michael Pütz aus Troisdorf. Der Informatiker (Jahrgang 1981) startete schon als Abiturient eine Internetfirma, die er noch im Gründungsjahr nach England verkaufte. Sein Geschäft erklärt er so: „Wir sind sozusagen eBay für Handgemachtes und mit Festpreisen. DaWanda ist ein Marktplatz für Unikate von Künstlern, Designern und Kreativen. Das ist ein klares Konzept, das die Nutzer schnell verstehen. Hier geht es nicht um ein Phantasieprodukt, das sich über Werbung finanziert, sondern wir sind Vermittler von Kunst und Kunsthandwerk und bekommen dafür fünf Prozent“, erläutert Pütz im Interview mit dem Online-Magazin deutsche-startups.de.

Für diese fünf Prozent Provision (plus 10 bis 30 Cent pro Produkt) bieten die registrierten Verkäufer bei DaWanda selbstgemachten Schmuck, Bilder, Handtaschen, aber auch Honig oder Marmelade an. Was früher auf dem Pfarrbasar verkauft wurde, lädt Mutti heute in ihrem eigenen „e-Shop“ hoch. Schon rund 7.000 kreative Bastler bieten ihre Produkte auf Pütz’ Server an.

Diesen Kundenstamm akquirierten der Informatiker und seine Co-Geschäftsführerin Claudia Hermes (studierte Romanistin) anfangs durch reine Mundpropaganda, bis eine Werbeaktion in der Netzgemeinschaft Studi-VZ auf einen Schlag Hunderte neuer Verkäufer generierte. Dabei besteht die Mitgliederstruktur des StudiVZ an sich nicht aus Hausfrauen und Bastlern – oder doch?

Die Firmeninhaber, die ihre Kunden nach eigener Aussage „schon sehr genau beobachten“, haben zwei verschiedene Profile ausgemacht: „Man kann nicht sagen, ‘Frau, Mitte 40 mit drei Kindern’. Es sind einerseits die überwiegend weiblichen Hobbykünstler und andererseits die jungen Designer und Kunsthandwerker, die ihr Online-Geschäft aufbauen und als Vertriebsweg nutzen – das sind auch diejenigen, die am meisten Umsätze machen und machen wollen.“

Dafür gibt’s bereits Kritik: Vertreter der Hobbyfraktion beschweren sich in den Kundenforen über zuviel Kommerz. Die Balance zwischen professionellem Anspruch und privatem Kreis ist wacklig, und Internetgemeinschaften reagieren extrem empfindlich auf Veränderungen ihrer virtuellen Wohlfühl-Umgebung.

Doch das Grummeln der kleinen Kunden nehmen die Jungunternehmer in Kauf, denn in der bevorstehenden Weihnachtssaison geben die „Powerseller“ den Ton an: „Insbesondere in der Vorweihnachtszeit haben wir einige junge Modedesigner, die enorm viel Umsatz machen und mittlerweile von diesen Einnahmen leben. Für die machen wir auch gezielt Pressearbeit“, gibt Pütz zu.

Männer führen – noch – ein kreatives Nischendasein

Ob er damit das sympathische Amateur-Image nicht beschädigt? Immerhin sind die Kunden fast ausschließlich weiblich, außer ein paar Männern, die von ihren Frauen zum Online-Einkaufen geschickt werden.

Pütz und Hermes scheinen die komplizierte Seele der virtuellen Gemeinschaft nicht zu fürchten, denn sie planen bereits die nächste länderübergreifende Expansion nach Frankreich mit identischen Angebotskategorien. In der DaWanda-Zentrale in Berlin-Mitte hat man nämlich die Beobachtung gemacht, daß sich Französinnen ebenso für selbstgestrickte Babykleider und Senf aus eigener Küche interessieren wie deutsche Käufer. Oder für Puppen mit Amy-Winehouse-Gesicht. Oder Laptoptaschen aus lila Filz. Oder für die Aktion „Abwrackprämie für Stoffkuscheltiere“.

Wer es skeptisch betrachtet, daß die Marmeladen-Einwecker, Freizeitmaler und Hobbywerker ihre Erzeugnisse der Welt im Internet anpreisen, dem sei gesagt, daß sich die weltweite Webpräsenz durchaus auch wieder ins Private kehrt. Denn als nächsten Marketing-Schritt planen die umtriebigen Unternehmer DaWanda-Messen, auf denen sich die Teilnehmer höchstpersönlich treffen können. „Offline kommunizieren“, nennt Pütz das und attestiert: „Wir spüren schon, daß es ein großes Bedürfnis unserer User danach gibt.“ User sind eben auch nur vernetzte Menschen.

Foto: DaWanda Lovebook Winter: Gerade in der Vorweihnachtszeit wird erheblicher Umsatz gemacht

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