© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/09 23. Oktober 2009

Dee Ex. Nach Fler und Dissziplin schockiert nun eine Rapperin mit patriotischen Texten
Deutsch und stolz
Moritz Schwarz

Die Aufregung war groß, als es die Berliner Elektropop-Gruppe Mia ( www.miarockt.de ) 2003 wagte, in ihrem Lied „Was es ist“ verschlüsselt ihrer Sehnsucht nach einem neuen Patriotismus Ausdruck zu verleihen: „Ein Schluck schwarzer Kaffee / Dein roter Mund / Die gelbe Sonne / Bin nicht mehr fremd in meinem Land“. Diese verschämten Zeilen genügten, um Empörung und Abscheu von der radikalen Linken bis zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu provozieren. Als versucht wurde, Mias Auftritte mit Gewalt zu verhindern, kapitulierte die Band stillschweigend.

Wesentlich widerstandslustiger dagegen zeigt sich die junge Berliner Rapperin Dee Ex. Auf der Hip-Hop-Plattform gangstaz.com veröffentlichte die 27jährige jüngst ihr Protestlied „Deutsch ist nicht Nazi“ ( www.gangstaz.com/de3x ) ganz ohne poetische Verbrämung: „Ich verstehe deine Feigheit nicht / Deutsch zu sein ist kein Verbrechen / Zu vergessen, wer wir sind, ist unser Untergang / Also wappne dich mit Mut und Selbstvertrauen / Und ruf es laut: Einigkeit und Recht und Freiheit! / Deutschland ist mein Vaterland, bin hier geboren, hier zu Haus!“ Viel Persönliches verrät die junge Frau allerdings nicht von sich, Presseanfragen läßt sie unbeantwortet, erwähnt nur, daß sie Hauptschulabsolventin ist – rappt allerdings auch auf englisch und französisch.

Besonders haßt sie es, wenn die türkischstämmige Bremer Porno-Rapperin Lady Bitch Ray (JF 19/08) über ihr Vaterland herzieht. In zwei Titeln gießt Dee Ex deshalb die Schalen des Zorns über der Skandalnudel aus, was in der Forderung gipfelt, das Land zu verlassen: „Wenn Deutschland so Scheiße ist, geh heim, keiner hier wird dich vermissen!“

Daß das Thema Patriotismus ausgerechnet im multikulturellen Hip-Hop aufkommt, verwundert nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis – List der Geschichte – eine multiethnische Ideologie, die ständig Stolz und Respekt postuliert, junge Deutsche auf ihre eigene Identität stoßen läßt. Zudem sind die Protagonisten der ursprünglichen Unterschichtmusik Kampf gewöhnt und lassen sich im Gegensatz zum meist aus bürgerlichem Milieu stammenden Elektropop-Personal nicht so leicht ins Bockshorn jagen.

Schon zwei Jahre nach der Mia-Pleite sorgte der Berliner Rapper Fler ( www.fler.de ) mit Sätzen wie „Bin deutsch, bin stolz drauf!“ erneut für Entrüstung und Boykott (JF 24/05). Und gleichzeitig mit Dee Ex provoziert jetzt auch der junge Cottbusser Dissziplin ( www.ostmob.de ) mit Texten wie „Schwarz-Rot-Gold, das ist mein Blut, mein Stolz, mein Volk“ (JF 30/09).

Am meisten aber überrascht die Wandlung des etablierten Links-Hip-Hoppers Samy Deluxe ( www.samy-deluxe.de ). In seinem neuen Titel „Dis wo ich herkomm“ bekennt er: „Ich habe dieses Land fast mein ganzes Leben gehaßt / Doch seh ich jetzt: Dis is unser Deutschland / Wir haben keinen Nationalstolz: schöne Scheiße!“ Die Hohepriester linker Jugendkultur dürften aus der Haut fahren.

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