© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/09 30. Oktober 2009

UMWELT
Wirtschaftswachstum durch Raubbau
Volker Kempf

Zurück von der Buchmesse mit einer Neuerscheinung des St. Gallener Ökonomen Hans Christoph Binswanger: „Vorwärts zur Mäßigung. Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung“. Es handelt sich um eine Aufsatzsammlung. Bemerkenswert ist die Antrittsvorlesung „Wirtschaftliches Wachstum – Fortschritt oder Raubbau?“ aus dem Jahre 1969: „Das überproportionale Wachstum ist nicht allein aus dem technischen Fortschritt, sondern auch aus dem vermehrten Gebrauch des Rohstoffs Natur beziehungsweise des Raubbaus an diesem – nicht vermehrbaren – Vorrat zu erklären.“ Den Faktor Natur unterschlage die ökonomische Wachstumstheorie. Letztere wurde zu Binswangers Lebensaufgabe, einschließlich der Benennung der Probleme im einzelnen, so daß sie politisch durchschaubar und handhabbar werden.

Das geschieht weniger durch Planung, Verbote und Gebote als vielmehr durch eine „Umstrukturierung der Marktwirtschaft, indem volkswirtschaftliche Kosten in privatwirtschaftliche Kosten umgesetzt werden beziehungsweise die sparsame Verwendung der noch vorhandenen Ressourcen privatwirtschaftlich belohnt wird“. An dieser Stelle wird deutlich, daß der Erfinder der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft spricht. Es ist aufschlußreich, welche ökonomischen Annahmen dahinter stehen, die in der Neoklassik ausgeblendet werden. Doch unterschlagene oder zuwenig beachtete Tatsachen rächen sich doppelt. Entscheidendes hatte Binswanger schon vor 40 Jahren zum nachhaltigen Wirtschaften gesagt. Doch das sogenannte Wirtschaftswachstum globalisierte sich in einer auf Raubbau hinauslaufenden Weise. Es ist nie zu spät, sich damit zu befassen und aus diesem Fundus in jeder Hinsicht zu schöpfen.

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