© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/09 06. November 2009

Wie ein Gas zu Geld wird
EU-Umweltsteuer: Brüssel plant Klimaschutz-Abgabe als Vorleistung für UN-Forderungskataloge / Klimagipfel in Kopenhagen
Michael Howanietz

Im Zuge der im Vertrag von Lissabon verankerten Generalermächtigung zur Mittelbeschaffung können EU-weit jederzeit „neue Kategorien von Eigenmitteln“ eingeführt werden. Hinter dieser sperrigen Umschreibung verbergen sich neue EU-Steuern. Die Forderungen nach Einführung ebensolcher erfolgen nunmehr – vorerst getarnt als Kampf gegen den Klimawandel durch Kohlendioxid (CO2) – in auffallender Dichte.

„EU bereitet CO2-Steuer vor“ besetzte im Oktober tagelang Spitzenplätze in der europäischen Schlagzeilenparade. Der postkommunistische EU-Steuerkommissar László Kovács und der konservative schwedische Finanzminister und EU-Ratsvorsitzende Anders Borg äußerten sich unisono positiv bezüglich der baldigen Einführung einer „Klimaschutz-Abgabe“ für den Energieverbrauch privater Haushalte. Ein entsprechender Richtlinienentwurf ist angesichts der Aussagen auf dem EU-Gipfel von voriger Woche keinesfalls mehr ausgeschlossen.

Indirekt unterstützt wird ein Brüsseler Vorstoß von Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon, der die Staatengemeinschaft nachdrücklich aufforderte, den Klimaschutz über innenpolitische Erwägungen zu stellen. Die EU solle bei den Verhandlungen anläßlich des UN-Klimagipfels, der vom 7. bis 12. Dezember in Kopenhagen stattfindet, als „Lokomotive“ fungieren. Barack Obama fällt diesbezüglich als Heilsbringer aus. Der US-Präsident wird zwar am 10. Dezember in Oslo den Friedensnobelpreis entgegennehmen – ob er dann mehr als einen Abstecher nach Kopenhagen unternimmt, ist noch nicht bekannt.

Unterstützt wird eine EU-weite CO2-Steuer selbstverständlich auch von den diversen Umweltschutzverbänden. Die Naturschutzorganisation WWF fordert beispielsweise eine gerechte Verteilung diesbezüglicher Auflagen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Am Rande der – den knapp 200 Seiten starken Entwurf eines neuen „Weltklimavertrags“ erörternden –Klimaverhandlungen in Bangkok verlangte der WWF die Festschreibung eines „möglichst knappen CO2-Budgets“.

Der vielstimmige Ruf nach weiteren Geldinitiativen der klimapolitisch bereits umfassend belasteten Industriestaaten findet auch in China, einem Hauptprofiteur des „CO2-Zertifikate- bzw. Verschmutzungsrechtehandel“ benannten globalen Geldumverteilungssystems, Gefallen. Gewohnt offensiv beklagte das Reich der Mitte, das auch als Exportvizeweltmeister unverändert zur Gruppe der Entwicklungsländer gezählt wird, gar eine Sabotage seitens der Industrieländer, die vorhätten, das Kyoto-Protokoll zu kippen.

Um nichts zurückhaltender ist auch das Wiedergutmachungsverlangen der Afrikanischen Union (AU). „Wir werden mit einer Stimme sprechen und Entschädigungen fordern“, so AU-Präsident Jean Ping an die Adresse der Industrieländer.

Der Druckaufbau vor der Kopenhagener Klimakonferenz, bei der es um ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll geht, erfolgt auf vielen Ebenen. Es sollte nicht überraschen, wenn es – trotz Besserung gelobender Beteuerungen der US-Klimaschutz-Delegation – letztlich wieder die EU-Staaten sein werden, die zu jenen Klängen zu tanzen haben, welche auf den in Dänemark beschlossenen Finanzierungsinstrumenten intoniert werden. Die undifferenzierte Bereitschaft dazu bekunden Aussagen wie jene des österreichischen Finanzministers Josef Pröll (ÖVP), der sich gegen nationale Alleingänge und für ein „europäisches Vorgehen“ aussprach.

Da nimmt es nicht wunder, wenn László Kovács nach dem Finanzministerrat zufrieden feststellte, es habe „keine entmutigende Stellungnahme“ über eine CO2-Steuer gegeben. Doch haben nicht milliardenschwere Bankenrettungspakete riesige Löcher in die europäischen Staatshaushalte gerissen? Stehen deshalb nicht irgendwann ohnehin saftige Steuer­erhöhungen an? Die im Lissabon-Vertrag vorgesehene Generalermächtigung zur EU-Mittelbeschaffung müßte daher hinterfragt werden. Zu beurteilen, ob die in seinem Namen aufgewandten und umverteilten Milliarden auch „dem Klima“ zugute gekommen sind, wird künftigen Generationen vorbehalten sein.

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