© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/09 06. November 2009

Chronologie der Grenzöffnung

Schleswig-Holstein

9.11.Selmsdorf/Lübeck-Schlutup

12.11. Roggendorf/Mustin

16.11. Herrnburg/Lübeck-Eichholz

18.11. Wismar/Travemünde (Fähre)

18.11. Zarrentin/Marienstedt

9.11. Marienborn/Helmstedt

Niedersachsen

10.11. Worbis/Duderstadt

11.11. Stapelburg/Eckertal

11.11. Elend/Braunlage

12.11. Hessen/Mattierzoll

12.11. Benneckenstein/Hohegeiß

12.11. Sülzhayn/Hohegeiß

12.11. Ellrich/Zorge

12.11. Mackenrode/Bad Sachsa

18.11. Schrampe/Schmarsau

18.11. Salzwedel/Lüchow

18.11. Schafwedel/Schmölau

18.11. Mellin/Brome

18.11. Böckwitz/Zicherie

18.11. Weferlingen/Grasleben

18.11. Morsleben/Helmstedt

18.11. Bühne/Hornburg

18.11. Ecklingerode/Duderstadt

18.11. Kirchgandern/Reckershausen

19.11. Bitter/Hitzacker (Fähre)

19.11. Hötensleben/Schöningen

25.11. Darchau/Neu-Darchau (Fähre)

26.11. Neu-Bleckede/Bleckede (Fähre)

26.11. Oebisfelde/Velpke

Thüringen

12.11. Hohengandern/Neu-Eichenberg

12.11. Vacha/Philippsthal

12.11. Katharinenberg/Wanfried

12.11. Gerstungen-Untersuhl/Obersuhl

13.11. Großburschla/Großburschla-Bahnhof

18.11. Wahlhausen/Bad Sooden-Allendorf

18.11. Großtöpfer/Frieda

18.11. Treffurt/Heldra

18.11. Ifta/Rittmannshausen

18.11. Buttlar/Rasdorf

Bayern

12.11. Hönbach/Neustadt

12.11. Probstzella/Falkenstein

12.11. Blosenberg/Ullitz

18.11. Rieth/Zimmerau

18.11. Adelhausen/Rodach

18.11. Lobenstein/Nordhalben

19.11. Heinersdorf/Welitsch

19.11. Plauen/Hof

24.11. Melpers/Fladungen

24.11. Neuhaus-Schierschnitz/Burggrub

24.11. Spechtsbrunn/Tettau

25.11. Heubisch/Neustadt

Berlin

9. November 1989

Uhrzeit Straße

21.40 Chausseestraße

21.40 Sonnenallee

22.00 Oberbaumbrücke

22.45 Bornholmer Straße

23.10 Bahnhof Friedrichstraße

23.11 Invalidenstraße

00.10 Alle innerstädtischen Grenzübergänge sind geöffnet

10. November 1989

Uhrzeit Straße

08.00 Mahlow

08.00 Jannowitzbrücke

08:00 Eberswalder Straße

08:00 Potsdamer Platz

08:00 Wollankstraße

08:00 Stubenrauchstraße

08:00 Teltow

13:00 Puschkinallee

18.00 Glienicker Brücke

18:00 Falkenseer Chaussee

Fotos: DDR-Besucher in Lübeck-Schlutup, Grenzöffnung am Brocken, Grenzübergang Stubenrauchstraße in Berlin, Menschenmenge am 10. November 1989 in Berlin vor und auf der Mauer

19. Januar 1989

SED-Generalsekretär Erich Honecker erklärt, daß die Mauer so lange stehen bleiben werde, „wie die Bedingungen nicht geändert werden, die zu ihrer Errichtung geführt haben. Sie wird in fünfzig und auch in hundert Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe nicht beseitigt sind.“

5. Februar 1989

Der 20jährige Berliner Chris Gueffroy wird bei einem Fluchtversuch über den Teltowkanal von einem DDR-Grenzsoldaten erschossen. Der 21jährige Christian Gaudian wird dabei schwer verletzt und am 24. Mai wegen „versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts im schweren Fall“ zu drei Jahren Haft verurteilt.

3. April 1989

Der Minister für Nationale Verteidigung der DDR, Fritz Streletz, setzt durch „mündliche Beauflagung“ den Schießbefehl an der Staatsgrenze aus – wegen des geplanten Besuchs des französischen Präsidenten François Mitterrand: „Lieber einen Menschen abhauen lassen, als in der jetzigen politischen Situation die Schußwaffe anzuwenden.“ (Honecker)

18. April 1989

Geheimer erster Probe-Abbruch des „Eisernen Vorhangs“ durch ungarische Grenzsoldaten in der Nähe des Grenzortes Ragendorf (Rajka) im Dreiländereck Österreich-Tschechoslowakei-Ungarn

2. Mai 1989

Der ungarische Grenztruppen-Oberst Balázs Nováky gibt auf einer Pressekonferenz in der Grenzgemeinde Straßsommerein (Hegyeshalom) den Abbruch des „Eisernen Vorhangs“ Richtung Österreich offiziell bekannt. Die Nachricht kommt über ARD und ZDF auch in der DDR an.

7. Mai 1989

Kommunalwahlen in der DDR: Offiziell haben 98,85 % der Wähler die Kandidaten der „Nationalen Front“ gewählt. Oppositionelle Gruppen, deren Mitglieder an den Stimmen-Auszählungen teilnahmen, sprechen von Wahlfälschung, für die sie Belege vorweisen können. Es kommt zu Demonstrationen.

25. Mai 1989

Das rot-grün regierte Berlin (West) stellt seine Zahlungen an die Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter ein, deren Aufgabe laut Gesetz es ist, die in der DDR begangenen „Gewaltakte festzuhalten und dafür Sorge zu tragen, daß sie zu gegebener Zeit gesühnt werden können“.

Bereits ein Jahr zuvor hatten die SPD-regierten Länder Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen sowie das Saarland ihre finanzielle Beteiligung eingestellt, im Januar 1989 folgte Schleswig-Holstein diesem Beispiel. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte 1984 die Behörde als „wirkungslos und überflüssig“ bezeichnet.

29. Mai 1989

Auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion besucht eine Delegation der DDR-Volkskammer die Bundesrepublik.

8. Juni 1989

Die Volkskammer bezeichnet das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking als „Niederschlagung einer Konterrevolution“ in China. (Foto links)

Auf einer deutsch-deutschen Konferenz in Saarbrücken, an der auch Oskar Lafontaine (SPD) teilnimmt, betont Egon Krenz (SED), daß „Träumereien“ von der „sogenannten Wiedervereinigung“ das Mißtrauen zwischen den europäischen Völkern weckten.

12. Juni 1989

Der niedersächsische Oppositionsführer Gerhard Schröder (SPD) in der Bild-Zeitung: „Nach 40 Jahren Bundesrepublik sollte man eine neue Generation in Deutschland nicht über die Chancen einer Wiedervereinigung belügen. Es gibt sie nicht. Und es gibt wichtigere Fragen der deutschen Politik in Europa.“

13. Juni 1989

Helmut Kohl und Michail Gorbatschow unterzeichnen eine Gemeinsame Erklärung, die unter anderem das „Recht aller Völker und Staaten, ihr Schicksal frei zu bestimmen und ihre Beziehungen zueinander auf der Grundlage des Völkerrechts souverän zu gestalten“ betont.

27. Juni 1989

Die Außenminister Alois Mock (Österreich) und Gyula Horn (Ungarn) zerschneiden vor den Augen der Weltpresse den „Eisernen Vorhang“ bei Kroisbach (Fertőrákos). Seit Januar ist bereits über 7.000 DDR-Bürgern die Flucht in den Westen gelungen. Insgesamt 37.000 durften offiziell ausreisen.

31. Juli 1989

In den östlichen Botschaften der Bundesrepublik haben über 150 DDR-Bürger Zuflucht gesucht. Sie hoffen auf eine Ausreise in den Westen. 2.144 DDR-Bürgern gelang im Juli die Flucht.

8. August 1989

Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, in der etwa 130 DDR-Bürger Zuflucht suchten, wird wegen Überfüllung geschlossen.

14. August 1989

Schließung der Botschaft in Budapest, wo sich 171 DDR-Bürger aufhalten. Pater Kozma und Malteser-Chefin Csilla Freifrau von Boeselager eröffnen das erste Flüchtlingslager im Garten der Pfarrei St. Familia in Budapest-Zugliget.

19. August 1989

„Paneuropäisches Picknick“ an der österreichisch-ungarischen Grenze unter Schirmherrschaft von Ungarns Staatsminister Imre Poszgay und Paneuropa-Chef Otto von Habsburg. Über 600 DDR-Bürgern gelingt die Flucht.

21. August 1989

Bei einem Handgemenge mit zwei jungen ungarischen Grenzsoldaten stirbt der Architekt Kurt-Werner Schulz aus Weimar. Er ist der letzte DDR-Bürger, der bei einem Fluchtversuch erschossen wurde.

23. August 1989

Hunderttausende Esten, Letten und Litauer demonstrieren mit einer Menschenkette in den baltischen Sowjetrepubliken für die Unabhängigkeit. Vier Monate später erklärt dann der Oberste Sowjet in Moskau die geheimen Zusatzprotokolle zum Molotow-Ribbentrop-Pakt für „juristisch unbegründet und ungültig“.

25. August 1989

Der ungarische Ministerpräsident Miklos Németh erklärt bei einem informellen Besuch in Bonn: „Herr Bundeskanzler, Ungarn hat sich entschieden, den DDR-Bürgern die freie Ausreise zu erlauben.“ Die DDR-Führung wird erst am 31. August vom ungarischen Außenminister Gyula Horn in Ost-Berlin offiziell darüber informiert.

10. September 1989

Die ungarische Regierung verkündet um 19 Uhr im Fernsehen, daß ab 11. September die Grenze zu Österreich für DDR-Bürger offen steht. Um Mitternacht wird die ungarische Westgrenze dann enggültig geöffnet – Tausende fliehen in die Freiheit.

11. September 1989

Der Vorsitzende des SPD-Parteirats, Norbert Gansel, fordert in einer aufsehenerregenden Stellungnahme ein deutschlandpolitisches Umsteuern seiner Partei: Das bisher propagierte Konzept des „Wandels durch Annäherung“ müsse durch das des „Wandels durch Abstand“ ersetzt werden.

12. September 1989

Auf Beschluß des SED-Politbüros werden alle Reiseanträge für die visafreien Reise nach Ungarn, Bulgarien und Rumänien nicht mehr von der Volkspolizei, sondern zentral von der Stasi überprüft. Tausende DDR-Bürger drängen sich in den provisorischen Aufnahmelagern in Bayern. Durch Berichte von ARD und ZDF werden die Bürger in der DDR informiert.

27. September 1989

„Eine auf Wiedervereinigung gerichtete Politik ist „reaktionär und hochgradig gefährlich“ (Gerhard Schröder in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung). Eine Woche zuvor mußte die bundesdeutsche Botschaft in Warschau wegen Überfüllung geschlossen werden. Die dortigen DDR-Bürger dürfen dennoch nicht ausreisen.

30. September 1989

Außenminister Hans-Dietrich Genscher verkündet vom Balkon der Prager Botschaft die Ausreiseerlaubnis für die dortigen DDR-Bürger. In verriegelten Sonderzügen gelangen sie am 1. Oktober über das Territorium der DDR nach Bayern. Die Züge mit den Warschauer Flüchtlingen werden über Helmstedt nach Niedersachsen geleitet.

1. Oktober 1989

Die staatliche DDR-Nachrichtenagentur ADN kommentiert die Fluchtwelle: „Sie alle haben durch ihr Verhalten die moralischen Werte mit Füßen getreten und sich selbst aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt. Man sollte ihnen deshalb keine Träne nachweinen.“ Etwa 21.000 DDR-Bürgern war im September über Ungarn die Flucht in den Westen gelungen.

2. Oktober 1989

20.000 Menschen demonstrieren in Leipzig für politische Reformen. Die Einsatzkräfte gehen brutal vor, es gibt zahlreiche Verletzte und Festgenommene; Gründung des Demokratischen Aufbruchs (DA). Drei Tage später fordern Tausende in Plauen bei einer Kundgebung auf Plakaten u. a. „Reisefreiheit – Meinungsfreiheit – Pressefreiheit“.

3. Oktober 1989

Die DDR setzt den visafreien Reiseverkehr mit der Tschechoslowakei aus, nachdem wieder Tausende in die Prager Botschaft geflüchtet sind. Reisen nach Polen sind schon seit 1981 nur mit Reisegruppe, Genehmigung oder Privateinladung möglich.

4. Oktober 1989

7.500 DDR-Flüchtlinge aus der bundesdeutschen Botschaft in Prag werden erneut mit Sonderzügen über DDR-Gebiet in die Bundesrepublik gebracht. Entlang der Strecke in Sachsen kommt es zu spontanen Unruhen, manche wollen auf die Züge aufspringen. Volkspolizei und Stasi greifen hart durch. Es kommt zu zahlreichen Verhaftungen.

7. Oktober 1989

40. Jahrestag der DDR-Gründung. Die Sicherheitskräfte gehen brutal gegen Demonstranten in Berlin (Ost) vor, die gegen die offiziellen Feierlichkeiten protestieren. Es kommt zu Massenverhaftungen und Mißhandlungen von Inhaftierten. Gründung der Sozialdemokratischen Partei (SDP).

18. Oktober 1989

Erich Honecker wird „aus gesundheitlichen Gründen“ von seinem Amt als Generalsekretär entbunden. Das Zentralkomitee wählt Egon Krenz als Nachfolger. Krenz benutzt erstmals den Begriff „Wende“ für seine politischen Pläne.

23. Oktober 1989

Montagsdemonstration mit 300.000 Teilnehmern in Leipzig, Zehntausende in Magdeburg, Dresden, Schwerin, Zwickau, Halle, Stralsund und Berlin sowie bereits an den Vortagen in Plauen und Rostock.

30. Oktober 1989

Treffen von Krenz und Gorbatschow in Moskau: Die deutsche Wiedervereinigung „steht nicht auf der Tagesordnung“. Drei Tage zuvor hatte der neue DDR-Staatsrat eine Amnestie für alle Republikflüchtlinge und bei anderen politischen Straftaten verkündet.

4. November 1989

Nachdem DDR-Bürger wieder Paß- und visafrei in die ČSSR reisen dürfen, ist die Prager Botschaft erneut überfüllt. Ab Mitternacht dürfen alle DDR-Bürger daher über den Umweg ČSSR ungehindert nach Bayern fahren – an den Grenzübergängen bilden sich kilometerlange Schlagen. Der „Eiserne Vorhang“ ist damit faktisch schon gefallen.

9. November 1989

Beschluß und Verkündung eines neuen Reisegesetzes durch Partei- und Staatsführung; Öffnung der innerdeutschen Grenze für DDR-Bürger. Politbüro-Mitglied Günter Schabowski antwortet während der Pressekonferenz auf die Frage nach dem Inkrafttreten: „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich.“

12. November 1989

DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler verkündet offiziell die Aufhebung des „Gebrauchs oder Einsatzes von Schußwaffen“ an der Grenze und den freien Zugang zu allen Sperrgebieten an der Berliner Mauer bzw. der innerdeutschen Grenze.

17. November 1989

Der neu gewählte Ministerratsvorsitzende Hans Modrow schlägt der Bundesregierung eine „Vertragsgemeinschaft“ zwischen DDR und Bundesrepublik vor.

28. November 1989

Bundeskanzler Helmut Kohl stellt im Bundestag seinen Zehn-Punkte-Plan vor: Darin heißt es, ein Zusammenwachsen beider Staaten „liegt in der Kontinuität deutscher Geschichte. ... Wie ein wiedervereinigtes Deutschland aussehen wird, weiß heute niemand. Daß aber die Einheit kommen wird, wenn die Menschen sie wollen – dessen bin ich mir sicher.“

1. Dezember 1989

Die Volkskammer streicht die „führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“ aus der Verfassung der DDR.

8. Dezember 1989

Ein Sonderparteitag der SED lehnt die Selbstauflösung der Partei ab und wählt Gregor Gysi zum Vorsitzenden. Er fordert die „Rettung unserer Partei“ und die „Neuformierung einer modernen sozialistischen Partei von unten“. Eine Woche später benennt sich die Partei in SED/PDS um.

10. Dezember 1989

In einem Telefonat mit Gysi bringt der Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow seine Mißbilligung von Kohls Zehn-Punkte-Plan zum Ausdruck: Jeder Versuch des Westens, die Souveränität der DDR einzuschränken, werde von der Sowjetunion zurückgewiesen.

11. Dezember 1989

300.000 Menschen demonstrieren in Leipzig. Viele haben schwarzrotgoldene Fahnen dabei und skandieren „Deutschland, Deutschland“. Einer Umfrage der Leipziger Volkszeitung zufolge sprechen sich drei Viertel der Bewohner der Stadt für die Wiedervereinigung aus.

18. Dezember 1989

Der „Runde Tisch“ spricht sich für eine „Vertragsgemeinschaft“ von DDR und Bundesrepublik aus. „Berliner Erklärung“ der SPD: „Wir wollen nicht zurück in das Zeitalter der Nationalstaaten ...“ Die „Frage der Nation bleibt den Erfordernissen des Friedens untergeordnet“.

19. Dezember 1989

Gipfeltreffen von Kohl und Modrow. Dieser lehnt Kohls Zehn-Punkte-Plan ab und besteht auf einer Eigenstaatlichkeit der DDR. Abends spricht der Kanzler an der Ruine der Frauenkirche vor Zehntausenden Menschen: „Mein Ziel ist und bleibt – wenn die geschichtliche Stunde es zuläßt – die Einheit unserer Nation.“

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