© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/09 20. November 2009

Kolumne
Menschen, Bürger, Deutsche
Bruno Bandulet

Politikerreden, die ja wenig mehr als eine ständige Geräuschkulisse abgeben, sollte man nicht zu ernst nehmen, aber ich zucke jedesmal zusammen, wenn ich von den Regierenden als „Mensch“ adressiert werde. Da das Wort seit Jahren und vor allem seit der Kanzlerschaft Merkels eine nie dagewesene Inflation erlebt, muß endlich einmal gefragt werden, was damit gemeint ist, wenn die Deutschen, die Bürger, die Wähler permanent als „Menschen“ apostrophiert werden.

Wovon soll hier eigentlich unterschieden werden? Doch wohl nicht von den Aliens und auch nicht von den Neandertalern, die bekanntlich zu derselben Gattung gehörten wie der Homo sapiens, und ebensowenig von anderen Säugetieren aus der Ordnung der Primaten.

Kein US-Politiker käme auf die Idee, von „human beings“ zu sprechen, wenn er seine Landsleute meint. Er spricht ganz selbstverständlich von den Amerikanern oder dem amerikanischen Volk oder auch von anderen Völkern und Nationen – nachzulesen in Barack Obamas Botschaft zum 9. November.

Als Angela Merkel an ebendiesem Tag des Mauerfalls gedachte, nannte sie die Deutschen nur einmal Deutsche und viermal „Menschen“. Als der Zwischenruf ertönte: „Wir sind das Volk!“, erwiderte sie: „Das stimmt“, fügte aber sogleich hinzu, daß man wegen der vielen Fotografen das Volk gar nicht recht sehen könne, „auch wenn man es sehen möchte“.

Man beachte die feine Unterscheidung zwischen herrschender Klasse und dem Volk, die ja auch in der Wendung von den „Menschen draußen im Lande“ verräterisch sichtbar wird. Und wo bleibt das „deutsche Volk“? Es bleibt im Grundgesetz, wurde aber aus der politisch korrekten Sprache fast ganz verbannt, seitdem die Politiker im Reichstag die lächerliche Installation „Der Bevölkerung“ aufstellen ließen.

Ach, wie unverkrampft war das noch zu Zeiten Konrad Adenauers. Er sprach – überzeugter Europäer, der er war – von „deutschen Familien“, „deutschen Menschen“ und dem „deutschen Volk“ und kam doch nie in Verdacht, einem überholten Nationalismus anzuhängen. Übrigens haben sich die „Menschen“ inzwischen selbst in die Diktion bodenständiger CSU-Politiker eingeschlichen. 

Könnte es sein, daß sich unsere politischen Eliten einbilden, eher der Menschheit als der Nation verpflichtet zu sein? Die Menschheit entsteht durch Propaganda, sagte Gottfried Benn. Auch wir hätten es gerne etwas konkreter.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des Finanzdienstes Gold&Money Intelligence.

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