© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/09 20. November 2009

Frisch gepresst

Eugen Bolz. „Der grüblerische Schwabe und christlich-konservativ geprägte Eugen Bolz war und ist für viele Württemberger der Idealtypus des ihre Wertevorstellungen repräsentierenden Politikers.“ So lautet das Fazit einer knappen Biographie des im Januar 1945 wegen seines Widerstandes gegen das NS-Regime hingerichteten katholischen Zentrumspolitikers, das der Historiker Frank Raberg für die Reihe „Prägende Köpfe aus dem Südwesten“ verfaßt hat (Eugen Bolz. Zwischen Pflicht und Widerstand. DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen 2009, broschiert, 141 Seiten, Abbildungen, 12,90 Euro). Was Raberg allerdings in seiner manchmal etwas zu hagiographischen Darstellung zurücktreten läßt, ist die eigentümliche Farblosigkeit jener in der Weimarer Republik Verantwortung übernehmenden Politikergeneration, die der 1881 geborene Kaufmannssohn aus Rottenburg verkörpert. Bolz, der 1928 württembergischer Staatspräsident wurde, fehlte wie den anderen entschiedenen Demokraten in DDP und SPD jedes Fünkchen Charisma, jede außeralltägliche Vision von Politik und jede über „Verwaltung“ hinausgehende Machtprojektion – Defizite, die sich 1933 bitter rächten und Bolz am Ende mit dem Leben zahlen ließen.

 

Erich Raeder. Die Ende der 1950er Jahre publizierten Erinnerungen des Großadmirals Erich Raeder (1876–1960) zählen, ganz anders als dessen ebenfalls zweibändige Geschichte des Kreuzerkrieges (1922), nicht eben zu den Rarissima des Antiquariatsmarktes. Trotzdem hat sich der Verlag Siegfried Bublies zu einer Neuauflage entschlossen (Mein Leben, Beltheim-Schnellbach 2009, gebunden, 524 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro). Eine gute Entscheidung, denn so wird ein Werk wieder mühelos über den Buchhandel greifbar, das Auskunft über den Werdegang und das Selbstverständnis der wilhelminischen Elite in der Weimarer Zeit und während des Dritten Reiches bietet. Raeder, als Sohn eines Gymnasiallehrers in Wandsbek geboren, ist hierfür eine überaus repräsentative Figur. Der Typus des akademisch gebildeten, welterfahrenen, protestantisch gebundenen Offiziers, 1922 nicht zufällig auf den Posten des Bildungsinspekteurs der Marine berufen, verhehlt nicht seinen Nationalismus, glaubt sich mit Adolf Hitlers „Bewegung“ einig in dem Ziel, Deutschland wieder als Großmacht zu etablieren, verliert aber nie den Blick für die politischen und moralischen Grenzen, denen dieses „Projekt“ seiner Überzeugung nach unterlag. 1943 nahm er seinen zuvor mehrfach angebotenen Abschied. Das hinderte die Alliierten nicht, ihn in Nürnberg für die „Planung und Führung eines Angriffskrieges“ zu lebenslänglicher Haft zu verurteilen, aus der er dann 1955 entlassen wurde.

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