© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Konsequenz
Karl Heinzen

Stolze 98 bis 99 Prozent aller Mietverhältnisse verlaufen „störungsfrei“, so scheint es jedenfalls die alte Bundesregierung, festgehalten in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage aus dem Jahr 2005, gesehen zu haben. Die neue erkennt dennoch Handlungsbedarf und will, in den vagen Worten ihres Koalitionsvertrages gesprochen, „das Mietrecht auf seine Ausgewogenheit hin überprüfen“.

Etwas konkreter hat sich nun die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger geäußert: Ihre Partei strebe die Angleichung der Kündigungsfristen für Mieter und Vermieter an. Bisher herrscht hier nämlich eine bedenkliche Asymmetrie. Mieter dürfen unbefristete Verträge mit einer Frist von drei Monaten ohne weiteres kündigen. Vermietern hingegen steht dieses Recht nur bei „berechtigtem Interesse“ wie etwa „Eigenbedarf“ zu, und die Frist, die sie einzuhalten haben, hängt von der Dauer des Mietverhältnisses ab und kann bis zu neun Monate betragen.

Wahrscheinlich ist, daß die angestrebte „Angleichung“ Vermieter in die Lage versetzen soll, sich unerwünschter Mieter schneller und unkomplizierter als bisher zu entledigen. Die Alternative, daß nun plötzlich auch auf Mieter längere Fristen zukommen, wenn sie kündigen wollen, kann hingegen nahezu ausgeschlossen werden. Sie stünde im Widerspruch zu der von der neuen Bundesregierung wie von ihren Vorgängerinnen verfolgten Absicht, die rechtlichen Rahmenbedingungen des Sozialstaates den Erfordernissen von heute gemäß flexibler zu gestalten.

Eigentum bleibt ein leerer Begriff, wenn jene, denen es gehört, nicht so frei wie möglich über es verfügen können. Unter dieser Maxime sind im Arbeitsrecht bereits bahnbrechende Modernisierungsschritte vollzogen worden. In der neuen Legislaturperiode könnte nun endlich auch das Mietrecht auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Öffentlicher Widerstand ist kaum zu befürchten. Die Bürger haben akzeptiert, daß ihr Arbeitsplatz nicht mehr so sicher wie früher ist und an diesem eine höhere Bereitschaft zu Mobilität und Flexibilität von ihnen verlangt wird. Sie werden es als konsequent empfinden, wenn dies nun auch auf ihre Wohnverhältnisse übertragen wird. Die „eigenen vier Wände“, zumal jene, die einem gar nicht gehören, sind kein Rückzugsraum, in dem die Gesetze einer modernen Leistungsgesellschaft nicht gelten.

Für alle, die sich damit nicht abfinden wollen, bietet die Marktwirtschaft zudem einen einfachen Ausweg: Sie können ja selbst Eigentum erwerben, das dann zu ihrer eigenen Verfügung steht.

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