© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/09 04. Dezember 2009

Hinter einer Demokratie der Gleichheit lauert die Diktatur
Der Berliner Publizist Ivan Denes rechnet mit dem allgegenwärtigen Werteverlust, der Geschichtslosigkeit und dem deutschen Schuldkult ab
Bernd Rabehl

Den ganzen Tag sitzt er am Computer. Er durchstöbert die internationalen Agenturen und Netze nach Nachrichten und Informationen, die nicht in den gängigen Medien zu finden sind. Allein diese Tätigkeit bringt ihn auf andere Gedanken. Nur bestimmte Meldungen finden ein Echo in den deutschen Medien-Gazetten. Andere werden unterschlagen, so als wache irgendwo der „große Bruder“ darüber, was der Bürger verkraften kann und was nicht.

Ivan Denes weiß selbstverständlich, daß im „freien Westen“ die Zensur ausgeschlossen ist und die Verfassung die freie Meinung garantiert. Gleichzeitig hat die herrschende Ideologie den Charakter einer Weltanschauung verloren. Sie lebt allerdings geheimnisvoll fort in einer inszenierten Wirklichkeit, die die gängigen Stimmungen und Vorurteile bedient. Der Nachrichtenhändler hegt nun den Verdacht, daß die Auswahl der Informationen doch etwas zu tun hat mit einer politischen Manipulation. Bestimmte Sichtweisen würden publiziert, die ein Nachdenken über den Zustand der Gesellschaft verhindern sollten. Die bestehende Macht in Staat und Parteien solle nicht hinterfragt werden. Unzählige Tabus würden errichtet, die nicht überschritten werden dürften. Wer trotzdem über sie hinwegsehe, werde mit Schmach und Schande bedacht. Auf diese Weise werde ein „korrektes Meinen“ gefestigt, vermutet Ivan Denes.

Schon deshalb sinnt der 81jährige über die Bruchstellen dieser Republik nach. Er findet sie im Verlust an Würde bei den Eliten, im Zerfall von Kultur und Verantwortung ganz allgemein, in der Selbstaufgabe des deutschen Volkes. Ihn beunruhigt ein politischer Islam, der sich in den deutschen Landen als Religion, politische Bewegung und Untergrund verankert. Darüber schreibt er einzelne Aphorismen. Er weiß, daß er sich auf der großen Spur der philosophischen Kulturkritik bewegt. Diese hatte die „große Theorie“ stets über die verschiedenen Einzelphänomene hinterfragen wollen. Denes wählt den umgekehrten Weg. Über Kurzgeschichten und Gedankenblitze will er sich ein Bild verschaffen.

So beklagt er die allgemeine Faszination am Konkreten, dem Augenblick und der Gegenwart. Es hat jedoch eine Geschichte gegeben, Tradition und ein historisches Bewußtsein. All diese Verbindungen seien gekappt worden. Klassische Theaterstücke werden im Kostüm und im Sprachstil des Tages aufgeführt. Oper, Schauspiel, Telenovella, Sport, Show und der Talk der Politiker sind austauschbar und signalisieren eine inszenierte Wirklichkeit. Alles werde auf Spiel und Happening reduziert. Die Masken sind austauschbar. Politik und Staat entbehren einer verantwortungsvollen Elite. Das sei der Anfang einer allgemeinen Fäulnis.

Denes mißtraut der „Gleichheit“ in einer Massengesellschaft, die aus Hierarchien, den Stockwerken der Macht und der Wirtschaft besteht. Der neue Mensch als ein Universum gleicher Eigenschaften, Begabungen und Talente bleibe eine Utopie von Diktaturen, die über diese Visionen die Zwangsarbeit, Arbeitslager und die allgemeine Unterdrückung einrichteten. Die Parole der Gleichheit soll heute die faktische Ungleichheit in Gesellschaft und Bildung verhüllen und davon ablenken, daß die Machtapparate des Staates bewußt nivellieren, um die Herrschaft der Eliten abzusichern. Hinter einer Demokratie der Gleichheit lauere die Diktatur, die lediglich die demokratischen Verfahren als Kulisse mißbrauche, behauptet Denes.

Der „Büßerkult“ ist ihm ein Greuel. In keiner Gesellschaft der Welt werde die historische Schuld eines Volkes derartig „gefeiert“ wie in Deutschland. Man huldige einem Pazifismus als Mittel der Selbstverleugnung. Das „bessere Deutschland“ existiere sowenig wie die positiven Seiten einer Tradition. Immerhin sei Deutschland am kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aufbau des Abendlandes beteiligt gewesen. Dieses Volk habe Substanz besessen und besitze sie noch, selbst wenn die einzelnen Eliten alles unternähmen, die eigene Kultur zu zerstören. Als deutscher Jude ist Denes entsetzt darüber, daß ein Volk jedes Format verliert und in die „Geschichtslosigkeit“ abgleitet.

Voller Abscheu schreibt er über die „Holocaust-Industrie“. Es gehe dabei nicht um Wiedergutmachung für die Opfer oder ihre Familien. Nicht einmal die offene Unterstützung des israelischen Staates sei interessant. Die Spekulanten erpreßten unter verschiedenen Vorwänden von den deutschen Regierungen Gelder, die in irgendwelchen Geschäften verschwänden. Eine derartige „Industrie“ kenne selbst nach zwei, drei Generationen keine Vergebung, sondern wolle ein Volk für alle Ewigkeit schuldig und erpreßbar halten. Untergründig entstehe eine Politik der „Rache“: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das könne nicht gutgehen. Die deutschen Eliten brächen immer wieder ein, weil sie keinerlei Rückgrat und Stolz besitzen. Das sind drastische Worte.

An dieser Stelle wird sichtbar, worüber sich Ivan Denes sorgt. Er hegt die Befürchtung, daß in Mitteleuropa ein neuer Antisemitismus entstehen kann. Er hätte diesmal seine Ursachen im islamischen Rachefeldzug gegen Israel, der sofort in den europäischen Vorstädten beim islamischen Subproletariat sein Echo finden würde. Er würde einen Widerhall vielleicht auch bei jungen Deutschen finden, die nicht verstehen könnten, warum sie Schuld am Krieg ihrer Ur-Urgroßväter haben und warum sie für Verbrechen zahlen sollen, die sie nicht selber zu verantworten haben. Diese Erniedrigung werde Trotz erzeugen und zu Widerstand anregen.

Ivan Denes zeigt sich in diesen Überlegungen als ein deutscher Patriot und zugleich als Parteigänger Israels. Nicht ein „Schuldkult“ könne Frieden schaffen, sondern es müsse der Ausgleich zwischen den Völkern in der gegenseitigen Akzeptanz und Anerkennung eine Grundlage finden.

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