© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/09-53/09 18./25. Dezember 2009

Ochs und Esel stehen nicht in der Bibel. Warum sind sie doch mit Weihnachten verbunden?
Gemütliche Gesellen
Christian Vollradt

Die beiden dürfen an Weihnachten nicht fehlen: keine Krippe ohne Ochs und Esel. Bekanntlich führte Josef seine Maria per Individualverkehr nach Bethlehem, eben auf dem Volkswagen des Jahres eins. Geparkt im Stall – wo sonst? –, stand er dort neben dem antiken Fendt. Jesus, geboren zwischen Mittelklassekarosse und Ackerschlepper? So einfach ist die Erklärung für Ochs und Esel nicht. Und auch die Vermutung, als erzählerischer Zierat sorgten die beiden für die richtige Stallatmosphäre, geht fehl. Denn die Bibel weiß von den gemütlichen Gesellen nichts. Und doch ziert ihr Abbild schon frühchristliche Sarkophage, während – wer hätte es gedacht – Maria und Josef dort noch fehlen!

Tatsächlich finden sich die beiden tierischen Zeugen der Menschwerdung Gottes – unsere Abbildung oben entstand nach einer Federzeichnung Albrecht Dürers von 1514 – in jenen Kindheitslegenden, die zwar nicht ins Neue Testament aufgenommen wurden, sich im Volk aber großer Beliebtheit erfreuten. Einem dieser apokryphen (also verborgenen) Evangelien, dem sogenannten Pseudo-Matthäus, zufolge legte Maria ihr Kind in eine Krippe „und Ochs und Esel beteten es an“. Damit sollte eine Weissagung des Propheten Jesaja erfüllt werden: „Der Ochse kennt seinen Herrn und der Esel die Krippe seines Herrn.“ (Jes 1,3).

Der Ochse verbindet seit je die Stärke und Macht des Stieres mit Gutmütigkeit. Hervorstechend ist seine Fähigkeit, Furchen zu ziehen und so die „fruchtbaren Regengüsse des Himmels zu empfangen“ (Dionysius Areopagita). Der reinrassige Esel hat nicht nur den Ruf eines zuverlässigen Lastträgers, sondern galt im Vorderen Orient tatsächlich lange Zeit als königliches Reittier.

Im 7. Jahrhundert sah der Kirchenlehrer Isidor von Sevilla in den Tieren die beiden Zielgruppen der christlichen Botschaft verkörpert: im Ochsen das jüdische Volk, im Esel das der Heiden. Später wies man dem Esel aus naheliegenden Gründen das Laster der „Acedia“, der geistlichen Trägheit, zu. Aus diesem Grund tauchte er in der mittelalterlichen Kunst im Zusammenhang mit dem Apostel Thomas auf, dem nur zögerlich Glaubenden. Wegen dieser Trägheit symbolisierte er dann das Judentum, welches sich störrisch dem Evangelium Jesu Christi verweigere.

Im Zeitalter von Motorisierung und Säkularisierung haben Huftiere an Bedeutung verloren. Legt man die „Schlachtmenge“ zugrunde, waren unter den 1.213.060 männlichen Rindern, die im Mai 2009 in Deutschland lebten, nur etwa 1,8 Prozent Ochsen. Und daß der Esel einst (auch) Luxus war, ist nur am vollen Mehrwertsteuersatz erkennbar, der heute noch auf ihn erhoben wird. Doch so Profanes wird von dem überlagert, was uns seit der Heiligen Nacht alle Jahre wieder mit beiden verbindet und was die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff so ausdrückte: „Zu Bethlehem, da liegt im Stall/ bei Ochs und Eselein./ Der Herr, der schuf das Weltenall/ als Jesukindchen klein.“

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