© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

Antifaschistische Werte im Gottesdienst
„Kampf gegen Rechts“: In der Evangelischen Kirche bereiten linke Gruppen die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft gegen Rechtsextremismus vor
Ekkehard Schultz

Linke Vertreter aus Kirchenkreisen fordern von den religiösen Gemeinschaften in Deutschland, sich stärker gegen rechtsextreme Tendenzen zur Wehr zu setzen. Zu diesem Zweck soll am 12. Februar 2010 in Dresden die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus entstehen. Nach Auffassung der Initiatoren seien „menschenverachtende, rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Einstellungen mit dem christlichen Glauben unvereinbar“. Solche Haltungen würden generell von „rechtsextremen Parteien und Gruppen vertreten“, zum Teil jedoch auch „in der Mitte der Gesellschaft Verbreitung finden“.

Mitte Dezember fand im Französischen Dom in Berlin eine erste Informationsveranstaltung statt, die von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (mbr) organisiert wurde. Eingeladen waren dazu unter anderem Ulli Jentsch vom linksextremistischen Antifaschistischen Pressearchiv in Berlin sowie Friedemann Bringt vom Kulturbüro Sachsen.

Bianca Klose von der mbr referierte über die Erfahrungen ihrer Organisation mit kirchlichen Einrichtungen. In den vergangenen Jahren gebe es immer mehr Anfragen aus diesen Kreisen, da bei ihnen häufig eine „große Handlungsunsicherheit“ beim Umgang mit Rechtsextremisten bestehe. Der gewachsene Beratungsbedarf weise auf eine „deutlich gestiegene Sensibilität der Kirchen mit diesem Thema“ hin, so Klose. Da die Beratung durch das mbr jedoch „immer leise“ sei, liege es stets in der Hand der Gemeinden, ob sie anschließend mit ihren eigenen Problemen selbstbewußt in die Öffentlichkeit gingen. Bislang sei dies häufig noch nicht der Fall, da die betroffenen Institutionen oft negative Folgen befürchteten, etwa bei dem Versuch, „rechtsextreme Zivildienstleistende aus kirchlichen Einrichtungen auszuschließen“.

Die neue Bundesarbeitsgemeinschaft könne daher dazu beitragen, „den Gemeinden Mut zu machen, Entscheidungen zu treffen“, die zum Teil auch in den eigenen Kreisen unpopulär seien. Generell sei eine klare Positionierung der Kirchen zum Thema Rechtsextremismus äußerst wichtig. Dabei müsse immer wieder deutlich gemacht werden, worin „die Unvereinbarkeit ihrer Institutionen mit Rechtsextremen“ bestehe, und prinzipiell viel Augenmerk auf die „Vermittlung antifaschistischer und antirassischer Werte“ gelegt werden, forderte Klose.

Friedemann Bringt vom Kulturbüro Sachsen lenkte den Blick auf das Gedenken an die Bombardierung Dresdens am 13. Februar. Die Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft sei bewußt auf den 12. Februar gelegt worden, da am nächsten Tag mit dem „größten Aufmarsch von Rechtsextremisten in der Geschichte der Bundesrepublik“ gerechnet werden müsse. Dabei sei es wichtig, sich „in viel stärkerem Maße als in den Vorjahren in eine direkte Konfrontation mit den Neonazis zu begeben“, so Bringt. Es müsse wie in anderen deutschen Städten möglich sein, etwa die Möglichkeit von Sitzblockaden einzuräumen und auf diesem Weg noch deutlicher zu machen, „daß der größte Teil der Bevölkerung Dresdens den Auffassungen der Rechtsextremisten schärfsten Widerspruch entgegensetzt“.

Linksextreme Gewalt „kaum existent“

Ein weiteres Ziel der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche für Demokratie soll darin bestehen, gegen die Planungen der aktuellen Bundesregierung zu protestieren, in Zukunft neben Projekten gegen Rechtsextremismus auch Projekte gegen Linksextremismus und gegen politischen Islamismus zu fördern. So kritisierte kurz vor Weihnachten der Geschäftsführer der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF), Christian Staffa, die vermeintliche „Gleichsetzung“ der Extremismen, die dadurch erfolge. Nach Staffas Auffassung seien Rechts- und Linksextremismus „völlig unterschiedliche Phänomene“. Im Gegensatz zu rechtsextremer Gewalt sei linksextreme Gewalt in Deutschland „kaum existent“.

Ähnliche Argumente waren bereits der 2007 von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens herausgegebenen Broschüre „Kirche in Sachsen für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ zu entnehmen (JF 8/09). Bereits im Einführungstext hieß es dort, daß linksextreme Parteien und Organisationen in Sachsen „keinerlei politische Relevanz“ besäßen. Zudem gingen linksextreme Akteure im Gegensatz zur „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ der Rechtsextremisten „ebenso wie demokratische Institutionen“ vom „Grundprinzip der Gleichheit aller Menschen“ aus. Selbst gewalttätige Autonome führten einen prinzipiell begrüßenswerten „Kampf gegen rassistische Diskriminierung, soziale Benachteiligung, Militarisierung und Krieg“, so die sächsische Landeskirche.

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