© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  01/10 01. Januar 2010

„Zum Bildnis Gottes schuf er sie“
Die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz hat theologische Einwände gegen die feministische Gender-Ideologie
Harald Seubert

Seit einiger Zeit gibt es eine Reihe grundlegender Bücher über die Politik des Gender Mainstreaming und ihre weitgehenden, oft unbemerkten Folgen. Doch ein Werk, das über die Kritik hinausgehend eine Anthropologie der Geschlechter aus dem christlichen „Glutkern“ heraus für die moderne Welt deutlich macht, steht aus. Um so mehr wird man das jüngste Buch der renommierten, in Dresden lehrenden Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz begrüßen.

Dieses Buch ist phänomenologisch im besten Sinne, es spricht keine dogmatische, sondern eine lebendig menschliche, erfahrungsgesättigte, oftmals literarisch funkelnde Sprache und gibt zugleich in kristallklarer kenntnisreicher Argumentation Orientierung. Souverän behandelt Gerl-Falkovitz, wie sich das Bild der Frau in Mythos und Magie als Rätsel und Verheißung zeigt. Gerl-Falkovitz zeigt unter Heranziehung einschlägiger Literatur zu verschiedenen Frühkulturen differenziert, daß ein Frauenrecht im Sinn von Bachofen eine Fiktion ist. Dies bedeutet aber zugleich, daß Frauen unterhalb der Rechts- und Öffentlichkeitssphäre in hohem Grade wirksam blieben und in Haus und Familie das wirksame Band unmittelbarer Traditionen knüpften.

Als personale Andere wird die Frau aber erst in Judentum und Christentum begriffen. Immer wieder weist die Autorin nachdrücklich darauf hin, daß die Gottebenbildlichkeit des Menschen sich notwendigerweise in Komplementarität zeigt: Nur in der Zweiheit, als Mann und Frau, ist er Bild des Einen. Dies bedeutet nicht die Sehnsucht nach einer vergangenen hermaphroditischen Einheit des Menschen, wohl aber die Transzendenz des gespaltenen Menschen zu dem einen Urbild. Daß Gott nur in der Zweiheit sich im Menschen verbildlicht, wäre den Griechen Ursache tiefer Trauer, den frühen Kirchenlehrern ist es Trost und Ausweis menschlicher Würde.

Daß das Verhältnis des Christentums zur Frau dem Kerygma geteilter Menschlichkeit in der Differenz oft nicht gerecht wurde, wird von Gerl-Falkovitz nicht geleugnet. Sie besteht aber zu Recht darauf, daß dieser Grundsatz „in der Kirchengeschichte unvergessen“ blieb. Anders als im Vorderen Orient, aber auch in der indischen Tempelprostitution wird die Frau in dieser Tradition gerade nicht auf ihre – vergöttlichte, zugleich aber naturalisierte – Geschlechtlichkeit reduziert. Unter der Hand entwickelt Gerl-Falkovitz von hier her einen Begriff der Freiheit in und durch die Leiblichkeit.

Ein Glanzstück ist der Bericht von der (viel zu wenig bekannten) „Querelle des femmes“, die seit dem frühen 15. Jahrhundert die romanische Welt beschäftigt und in der von Christine de Pizan über die Montaigne-Herausgeberin Marie le Jars de Gournay die Überlegenheit der Frau entfaltet wurde. Die deutsche Debatte des 17. Jahrhunderts wirkt demgegenüber defensiv: Die Minderwertigkeit der Frau zurückzuweisen, scheint genug. Und der frühe, noch „galante“ Immanuel Kant spricht immerhin von dem „reizenden Unterschied“. Von der Romantik bis weit in das 20. Jahrhundert hinein berühren sich die einander entgegengesetzten Pole der Idealisierung und Dämonisierung der Frau. Doch nicht nur männliche Autoren sprechen über Frauen. Manche von ihnen wie Annette von Droste-Hülshoff sprechen selbst ihre innerste Erfahrung aus und sprengen damit die bisherigen Kategorien.

Gerl-Falkovitz setzt sich tiefgehend und scharfsinnig mit den verschiedenen Formen des Feminismus auseinander. Sie zeigt, daß die konstruktivistischen Gender-Ideologien im Sinne von Judith Butler, die das Geschlecht als kulturelles Konstrukt begreift, Leiblichkeit außer acht lassen. Der Mensch ist in jener Kunstsprache einfach „Kryptogramm“ beliebiger Zuschreibungen. Die Gegenposition liegt näher, als man meinen könnte: Luce Irigarays Naturalismus, dem die Inkommensurabilität der Geschlechter so schwer wiegt, daß behauptet wird, es könne keine gemeinsame Welt für Männer und Frauen geben.

Gerl-Falkovitz kritisiert die Einseitigkeiten einer Emanzipation seit der Aufklärung, ohne daß sie Nostalgien das Wort redet. Sie zeigt: Die Person vertieft sich in Hingabe an den Anderen. Die Andersheit des anderen Geschlechts, die Unverfügbarkeit des Eros führt aus der Hypostase der Selbstfixierung heraus. Der Kontrapunkt von Selbstbesitz und Selbstdistanz erst ist genuin menschlich, und er zeigt sich im Widerspiel der Geschlechter.

Die letzten Kapitel spitzen sich auf entscheidende innerchristliche Fragen zu: Mit klugen Argumenten, und nicht ohne auch das Ja abzuwägen, wendet sich Gerl-Falkovitz, letztlich gegen die Frauen-Ordination. Glänzend ist Gerl-Falkovitz’ Auseinandersetzung mit Tendenzen der feministischen Theologie, die die alten vorchristlichen Göttinnen wieder restituieren und ein pagan-christliches Konglomerat zu entwerfen versuchen: ein Anthropomorphismus, gegen den schon der antike Xenophanes treffend sagte, wenn die Esel und Ochsen Götter verehren würden, dann würden sie ihnen ihre Form und ihr Aussehen geben.

Gerl-Falkovitz hält mit den Kirchenvätern fest, daß Gott weder Mann noch Frau ist, auch kein Komplement aus beiden, daß biblische Texte aber in weiblichen und männlichen Bildern von Gott sprechen. Doch wo solche Bildlichkeit in biologische Fixierungen umgefälscht werden, wird alles zur Ideologie verfälscht.

Man wird dieses kluge, schöne Buch vielfach bereichert aus der Hand legen. Gerl-Falkovitz zeigt unübertrefflich, wie auch für eine säkulare Welt der bleibende Beitrag des Christentums sprechend bleibt: nicht als Vergangenheitsgestalt, sondern als Verschränkung von Herkunft und Zukunft, ohne die wir uns nicht mehr verstehen werden: daß sie zwei sein sollen, als Mann und Frau.

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: Frau–Männin–Menschin. Zwischen Feminismus und Gender. Butzon & Bercker, Kevelaer 2009, gebunden, 286 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Julius Schnorr von Carolsfeld, Die Erschaffung Evas, 1825: Gender-Ideologie ignoriert die Leiblichkeit

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