© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/10 08. Januar 2010

Helmut Matthies soll abschwören
Löwenthal-Preis: Der thüringische Kirchenfunktionär Christhard Wagner hat den idea-Chef aufgefordert, seine Auszeichnung zurückzugeben
Christian Vollradt

Helmut Matthies, Leiter der evangelischen Nachrichtenagentur idea, soll den ihm am 5. Dezember von der gemeinnützigen Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF) in Kooperation mit der JUNGEN FREIHEIT verliehenen Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis zurückgeben. Dies jedenfalls fordert der Bildungsdezernent der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Christhard Wagner, in einem offenen Brief an den Idea-Trägerverein (siehe Kasten).

Helmut Matthies zeigte sich mit Blick auf den Namensgeber des Preises ob solcher Vorwürfe aus den Reihen der Kirche empört. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß ein von den Nationalsozialisten verfolgter prominenter deutscher Jude von einer deutschen Landeskirche je mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden könnte“, sagte Matthies. Schließlich erlebte der1922 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Berlin geborene Löwenthal in der NS-Zeit eine „ununterbrochene Kette von immer neuen und sich stets verschärfenden Maßnahmen zur Verfolgung und Unterdrückung der Juden“, wie er in seiner 1987 erschienenen Autobiographie „Ich bin geblieben“ festhielt. Als Redaktionsleiter des ZDF-Magazins von 1969 bis 1987 exponierte sich Löwenthal aufgrund seiner Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Kommunismus stets als als „Missionar“ für Freiheit und Menschenrechte. Mit seiner Aktion „Hilferufe von drüben“ half er vor allem Ausreisewilligen in der DDR, die hofften, durch Publizität eher in die Freiheit zu gelangen. Im Westen trug ihm das bei vielen den Ruf eines „Kalten Kriegers“ ein. Gerade daß er bei der DDR-Bevölkerung wegen seiner kompromißlosen Standpunkte und klaren Aussagen außerordentlich populär war, machte  Löwenthal bei der DDR-Führung zum bestgehaßten West-Journalisten. Insgesamt 83 Inoffizielle Mitarbeiter hatte die Staatssicherheit auf ihn angesetzt.

„Gerhard Löwenthal ist für mich seit meiner Jugend ein Vorbild an Mut und Zivilcourage gewesen“, stellte deswegen auch Ehrenpreisträger Matthies in seiner Dankesrede am 5. Dezember in Berlin fest. Allerdings habe er „mehrere Freunde – in diesem Fall alles konservative Leute – gefragt, was sie über diese Auszeichnung denken“, so der Theologe und Idea-Leiter. So gut wie keiner habe ihm dazu geraten, den Preis anzunehmen: „Und da wußte ich: Jetzt muß ich Ja sagen, sonst hätte ich mich als feiger Versager gefühlt, besonders gegenüber dem Namensträger des Preises.“

Daß die Anwürfe gegen Matthies ausgerechnet aus dieser Ecke des Protestantismus kommen, ist wenig verwunderlich. Wagner, als Oberkirchenrat im Leitungsgremium der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland für das Bildungsdezernat zuständig, tat sich bereits in den vergangenen Jahren vor allem im „Kampf gegen Rechts“ hervor. Bei der Eröffnung des Aktionsjahres „Nächstenliebe verlangt Klarheit. Evangelische Kirche gegen Rechtsextremismus“ im Januar 2008 behauptete Wagner in Jena, daß „Umfragen zufolge 20 Prozent der Thüringer rechtsextreme Ansichten“ hätten. Der Bildungsdezernent entrüstete sich „über die Dreistigkeit, mit der Rechtsextreme sich Schritt für Schritt nach vorne wagen und Tabus brechen“, und forderte, „den extremen Rechten in unserem Land keinen Zentimeter freiwillig zu überlassen“. Die Kirche müsse sich „allen Anzeichen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ entschieden entgegenstellen, sagte Wagner.

Der gebürtige Leipziger steht seit 1982 im Dienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche Thüringen, die vor einem Jahr mit der Kirchenprovinz Sachsen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) fusionierte. Nach der Fusion gehören ihr etwa 910.000 Mitglieder an. Die thüringische Landeskirche verfolgte in der DDR am konsequentesten einen Kurs der politischen Anpassung an das SED-Regime. Ihr Landesbischof Moritz Mitzenheim, der von 1945 bis 1970 amtierte, lobte 1968 die „Gemeinsamkeit von Christen und Marxisten“ und bekräftigte, die evangelische Kirche stehe „auf dem Boden der Deutschen Demokratischen Republik“ und wolle „nicht Kirche gegen den Sozialismus sein“.

Die Landesbischöfin der EKM, Ilse Junkermann, hatte während der Synode ihrer Kirche im November zur Versöhnung mit den Menschen aufgerufen, „die dem Regime nahestanden“ und andere einst bespitzelt und verraten haben. Dies sei eine wichtige Aufgabe, auch „wenn viele in unserer Kirche während und unter der DDR-Zeit gelitten haben und sich berechtigt als Opfer verstehen“, sagte Junkermann. Daraufhin hielten die Stasi-Beauftragten von Sachsen-Anhalt und Thüringen, Gerhard Ruden und Hildigund Neubert, entgegen, daß die meisten ehemaligen Verantwortungsträger weder zu Reue noch Buße bereit seien, sondern statt dessen Mauertote und die Rechtsordnung der DDR im nachhinein zu rechtfertigen suchten.

Im Zusammenhang mit seinen Vorwürfen gegen den Löwenthal-Preisträger Matthies fragte die JUNGE FREIHEIT bei Oberkirchenrat Wagner nach, wo er in dieser Zeitung Belege für einen Rechtsextremismus gefunden habe, der mit dem christlichen Glauben unvereinbar ist. Das Kirchenamt der EKM teilte allerdings mit, daß Wagner zu einer Stellungnahme nicht bereit sei.

Informationen zum Gerhard Löwenthal-Preis im Internet unter www.fkbf.de

Foto: Helmut Matthies und Ingeborg Löwenthal bei der Preisverleihung: „Seit meiner Jugend ein Vorbild“

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