© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/10 08. Januar 2010

UMWELT
Diverse Sprachverwirrung
Volker Kempf

Von Biodiversität wird in diesem Jahr öfter zu hören sein. Woran wird Otto Normalverbraucher da spontan denken? „Biodiversität, toll, da muß man sich doch gleich dafür engagieren!“ Oder: „Biodiversität, was soll das denn nun schon wieder?“ Letzteres ist die wahrscheinlichere Reaktion, handelt es sich bei der Biodiversität doch um ein Wort, das der Alltagssprache fremd ist und das selbst die Word-Rechtschreibprüfung nicht kennt. Wer sich etwas genauer informiert, erkennt, daß es sich nicht um diverse Bioprodukte handelt, sondern um etwas, womit sich Wissenschaftler oder Umweltpolitiker beschäftigen. Dabei besagt der Begriff Biodiversität kaum etwas anderes als Artenvielfalt (JF 22/09). Das versteht fast jeder. Und der Erhalt des Artenreichtums in Flora und Fauna liegt nicht nur grünen Umweltbewegten am Herzen.

Warum dann diese geschraubte, internationalisierte Sprache? Eine Entfremdung scheint es nicht nur zwischen Politikern und ihrem Volk zu geben, sondern auch zwischen Wissenschaftlern und dem Volk. Sind Politiker und Wissenschaftler zusammengerückt, und das Volk bleibt auf der Strecke? So scheint es. Beide Bereiche ziehen oft an einem Strang, schaffen sich Gremien und Förderprogramme und loben sich gegenseitig. Das ist eine unschöne Entwicklung, gegen die es Zeichen zu setzen gilt, indem man Artenvielfalt wieder Artenvielfalt nennen. Daß aber selbst allgemeinverständliche Verträge und lobenswerte Aktionsprogramme kaum aussprechbare Bezeichnungen haben, zeigt, wie weit die allgemeine Sprachverwirrung schon fortgeschritten ist. Nichts gegen das gutgemeinte „UN-Jahr der Biodiversität 2010“ – aber 2011 sollte ein Jahr der Erhaltung der Artenvielfalt folgen, wenigstens von Sprachschützern.

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